Tom Schrade berichtet im Interview über seine Kunst und das Action Painting, dessen Technik er sich bedient, um Bilder voller Spannung zu malen.

10105833, © Tom_Schrade
Kunstnürnberg: Deine Gemälde erinnern an die Stilrichtung des Abstrakten Expressionismus, wie er während der 1940er bis 1960er Jahre entwickelt wurde. Der bekannteste Vertreter war Jackson Pollock, der durch seine Action Paintings bekannt wurde. Wie hast du das Action Painting und die Dripping-Technik, für dich entdeckt und weiterentwickelt?
Tom Schrade: Ich habe nach einer Ausdrucksform gesucht, mit der ich arbeiten kann und bin dann bei Jackson Pollock und Marc Rothko gelandet. Pollocks Ausdrucksweise und Philosophie hat mich sehr angesprochen und so kam ich dann zum Action Painting. Das Wahrnehmungsproblem des Action Paintings ist, dass viele denken, man würde nur ein bisschen Farbe auf eine Leinwand klecksen.
Gerade bei dieser Technik muss man sich jedoch auf die Ausdrucksform konzentrieren. Wie wird Tiefe und Spannung erzeugt? Ein genaues Betrachten der Bilder ist Voraussetzung, um eine Bewertung vorzunehmen. Jackson Pollock war die Konsistenz der Lackfarbe weniger wichtig. Außerdem hat er mit einem Stock gearbeitet und dabei kreisende Bewegungen gemacht. So wollte ich jedoch nicht arbeiten.
Ich übernahm zwar die Technik, jedoch sollte mein Umgang mit ihr in eine ganz andere Richtung laufen. Um eine Tiefe in einem Bild zu erzeugen brauche ich einen Verlauf, zum Beispiel einen Helligkeitsverlauf. Ich habe dann herausgefunden, dass das mit gewissen Lackfarben möglich ist. Es handelt sich um spezielle Lackmischungen, in denen die Farben miteinander reagieren. Wenn sich Weiß und Schwarz vermischen entsteht ein Verlauf und somit ein Tiefeneffekt. So wird Spannung erzeugt. Hinzu kommt, dass ein großes Bild viele Details aufweist. Folglich ist es nicht gut, wenn ein großes Bild nur mit zwei großen Klecksen gemalt wird. Es ist zwar groß, jedoch ohne Spannung.

c45s3, © Tom Schrade
Kunstnürnberg: Die Technik Action Painting, das Dripping, wird oft gleichgesetzt mit Pollock.
Tom Schrade: Viele Leute haben schon von Pollock gehört, aber die meisten haben kein konkretes Werk von ihm im Kopf. Deshalb wird über meine Arbeiten auch oft gesagt, sie seien so wie die von Pollock. Man kann Pollock nicht kopieren und man soll es auch nicht. Wenn es nur einen Portraitfotografen auf der Welt gäbe, dann würde man nach dieser Logik sagen „ah, du machst ein Portrait wie XY, eine Kopie“. Aber es gibt ja viele Portraitfotografen auf der Welt und deshalb stellt sich die Problematik gar nicht. Im Falle von Jackson Pollock, der ein dominanter Vertreter des ganzen Stils ist, ist dies anders. Malt man mit der Dripping-Technik, folgt als erste Assoziation man kopiere Jackson Pollock. Jedoch kann man die Technik des Drippings ganz verschiedenen anwenden.
Kunstnürnberg: Wie bedingen sich Material und Technik bei der Entstehung deiner Bilder?
Tom Schrade: In der Entwicklungsphase vor 15 Jahren habe ich auf günstigen Holzplatten gemalt, wie ein Amateur, der ein bisschen herum kleckst. Jedoch war ich mit den Ergebnisse nie wirklich zufrieden. Es entstand keine Tiefe und die Bilder waren auch überhaupt nicht spannend. Da lag eben einfach nur Farbe drauf. Ich habe dann mit Lacken und Leinwänden experimentiert. Jedoch waren die Resultate immer noch nicht befriedigend, bis ich auf die Idee kam, die speziellen Lackmischungen herauszufinden, bei denen dann das Schwarz in die Leinwand hineinläuft, das Weiß mit dem Schwarz reagiert und so eine Spannung zustande kommt. Das Zusammenspiel von Lack und Leinwand ist entscheidend.

3b4c1a, © Tom Schrade
Kunstnürnberg: Du verwendest aber auch andere Farben.
Tom Schrade: Ja, ich verwende auch andere Farben und arbeite nicht mit einem Stock, sondern mit einem großen, breiten Pinsel. Damit kann ich viel oder wenig Farbe aufnehmen, kann den Abstand des Pinsels zur Leinwand besser koordinieren und die Intensität der Bewegungen besser Steuern als mit einem Stock.
Kunstnürnberg: Wie wichtig ist dir die Komposition deiner Bilder?
Tom Schrade: Bevor ich beginne zu malen habe ich schon eine Idee, das sind die 70% der Komposition. Die restlichen 30% kommen bei der Umsetzung dazu. Also ich fange nicht an einfach konfus zu arbeiten. Das würde keinen Sinn machen, weil für mich die Bildgestaltung und die Bildidee vorher da ist.

5248er21, © Tom_Schrade
Kunstnürnberg: Du hast also eine Skizze im Kopf, die du dann auf Leinwand überträgst.
Tom Schrade: Genau, die Idee ist immer vorher da. Machmal kritzle ich auf einem Blatt Papier Formen auf, als grobe Skizze, damit ich es nicht vergesse. Im Anschluss geht es dann an die Umsetzung.
Kunstnürnberg: Neben der Malerei fotografierst du auch. Deine Fotos sind keinesfalls abstrakt sondern figürlich und haben den Mensch zum Inhalt. Wie erklärt sich dieser Unterschied?
Tom Schrade: Ich bin Fotograf, und mache normalerweise Businessfotografie. Das ist mein Job. Jedoch wollte ich auch immer in der Fotografie kreativ sein. Ich male gerne abstrakt, weil es mir gefällt und ich damit einen völlig anderen Bereich abdecken kann. Das Gegenständliche kann ich hingegen mit der Fotografie abdecken.
Ich mache künstlerische Fotografie, mit der ich Gegenstände oder Situationen zeigen kann, die jeder kennt, aber so noch nie gesehen hat. Ich möchte das Alltägliche anders darstellen und den Betrachtern anders bewusst machen.
Meine Volksfestserie zeigt das Volksfestgelände in einer surrealen Stimmung. Die dunklen Wolken und die wenigen Menschen erzeugen eine Spannung, die ich zeigen wollte.
Kunstnürnberg: Du bist sehr präsent in der Nürnberger Kunstszene. Regelmäßig hast du an der consumART und dem supermART teilgenommen sowie an verschiedenen Orten ausgestellt. Was zeigst du beim anstehenden supermART Ende Mai 2017?
Tom Schrade: Der supermART ist von der Stimmung her unvergleichlich schön. Ich fühle mich da immer sehr wohl. Viele Künstlerinnen und Künstler, die ausstellen, kenne ich gut. Es ist fast so als ob man einmal im Jahr entfernte Verwandte trifft. Es kommen immer sehr viele kunstinteressierte Leute, die auch meine kleinformatigen Bilder kaufen. Es gibt ja die Preisobergrenze. Deshalb zeige ich dort eher kleinformatige Arbeiten. Es kommen aber auch Leute, die großformatige Bilder kaufen möchten. Mit ihnen bespreche ich die Wohnsituation, wo das Bild hängen soll und kann die Maße dementsprechend festlegen. Meine Volksfestbilder zeige ich auch auf dem supermART in einem Show Book. Man kann die einzelnen Bilder bestellen.

© Tom Schrade

© Tom Schrade
Kunstnürnberg: Gibt es auch wieder eine Kamerafahrt auf dem Longboard mit dir?
Tom Schrade: Ja, das mache ich wieder. Ich klebe einfach meine Kamera vorne aufs Board und fahre dann durch die Halle. Die Videos sind ganz cool, wegen ihrer Dynamik und weil sie die Stimmung gut einfangen. Ich mache auf jeden Fall wieder eins, ist ja schon fast Tradition.
Kunstnürnberg: Wo stellst du dieses Jahr außerdem noch aus?
Tom Schrade: Ich nehme natürlich bei den Gostenhofer Atelier- und Werkstatttagen (13. – 22. Oktober 2017) teil. Das ist ein tolles Wochenende. 10.000 Leute laufen durch Gostenhof und schauen in die Ateliers rein. Bei mir sind dann teilweise bis zu 40 Besucherinnen und Besucher gleichzeitig im Atelier. Man kann bei GoHo auf jeden Fall viele neue Leute kennenlernen, von denen der ein oder andere auch im Nachhinein ein Bild kauft.
Kunstnürnberg: Vielen Dank für das Interview.
Tom Schrade: Ich bedanke mich.
Tom Schrade im Netz

Tom Schrade
- Webseite
- BNI Nürnberg
[divider]