In der 2014 als Kunstmuseum der Stadt Nürnberg eröffneten Kunstvilla ist der Zeitraum von 1933 bis 1945 in der Dauerausstellung, die Kunst in und aus Nürnberg von 1900 bis in die Gegenwart zeigt, bislang ausgespart.
Dies verdankt sich der Tatsache, dass das Nürnberger Kunstschaffen in der Zeit des Nationalsozialismus bisher noch nicht nähergehend untersucht wurde. Die Ausstellung „Grauzonen. Nürnberger Künstler:innen im Nationalsozialismus“ verfolgt das Ziel, diese Wissenslücke zu schließen.
Gezeigt werden über 100 Werke von fast 60 Künstler:innen, die überwiegend aus der Sammlung der Kunstvilla stammen. Erstmals setzte sich die Kunstvilla im Vorfeld mit ihren Beständen aus der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Die Werke dienten vielfach bis in die 1970er-Jahre als Ausstattung der Verwaltung in den Ämtergebäuden der Stadt.
Seit rund 50 Jahren wurden die meisten der nun gezeigten Werke im Depot aufbewahrt.


Zeitlich setzt die Ausstellung in den 1920er-Jahren ein, als Künstler wie Dore Meyer-Vax, Christian Klaiber und Hermann Wilhelm in Nürnberg modernistische Kunstbestrebungen vertraten.
Dagegen diffamierte die nationalsozialistische Kunstpolitik die Moderne und postulierte die Schaffung einer „deutschen Kunst“. Sie wurde ab 1933 auf kommunaler wie überregionaler Ebene mittels gezielter Förderung einzelner Kunstschaffender durch die Präsentation in Ausstellungen, Ankäufe und Aufträge durchgesetzt.
In mehreren Beschlagnahmungsaktionen wurden im Gegenzug Sammlungswerke, die moderne Ansätze zeigten oder von missliebigen Künstler:innen stammten, ausgesondert.
Jüdische Künstler:innen wurden zunächst vom Kunstbetrieb ausgeschlossen, später verfolgt und ermordet.
In der Ausstellung sind beispielhaft für diese Schicksale Werke der in Nürnberg geborenen Künstler:innen Anna Klein und Julius Graumann zu sehen.
Präsentiert werden die nationalsozialistischen Funktionäre, die die Maßnahmen verantworteten, und die Werke, die besonders geschätzt, mit Preisen ausgezeichnet oder für die Sammlung erworben wurden.
Darunter befinden sich auch Werke der beiden Künstler Hermann Gradl und Max Körner, die im „Dritten Reich“ auf der sogenannten Liste der „Gottbegnadeten“ als „unabkömmlich“ definiert wurden.
Daneben können Beispiele ausgesonderter Werke präsentiert werden, da sie in der Sammlung aufgefunden werden konnten.


Die Kunst in der Zeit des Nationalsozialismus orientierte sich mit Stillleben, Landschaften, Porträts und Akten an der in der Moderne überwundenen Gattungsmalerei.
Die Ausstellung zeigt anhand von Darstellungen fränkischer Landschaften, des bäuerlichen Lebens, von Stillleben sowie von Frauen- und Familienbildern verschiedene Facetten des Kunstverständnisses im Nationalsozialismus ebenso wie unterschiedliche künstlerische Handlungsoptionen.
Hierbei zeigt sich, dass das Kunstschaffen auf regionaler Ebene nur bedingt nach den Kriterien „entartet“ oder systemkonform beurteilt werden kann, sondern viele „Grauzonen“ aufweist.

Ein weiteres Ausstellungskapitel behandelt das angewandte Kunstschaffen in Grafik, Produktdesign und Kunst am Bau, in dem viele Nürnberger Künstler:innen tätig wurden. Insbesondere die Bauprojekte des Nationalsozialismus – wie das Reichsparteitagsgelände, aber auch Industrieanlagen – wurden vielfach von Künstler:innen dargestellt.
Mit Ria Picco-Rückert ist die seinerzeit erfolgreichste Industriemalerin in der Ausstellung vertreten. Im Verlauf des Krieges wurden viele Künstler zur Wehrmacht eingezogen,
konnten aber in den meisten Fällen künstlerisch tätig bleiben, da „feldgrauen“ Künstlern besondere Förderung zuteilwurde. In Krieg und Gefangenschaft entstanden Ansichten der Lager und anderer Soldaten.
Das kriegszerstörte Nürnberg wurde etwa von Karl Seubert und Max Körner im Sinne der Ruinenästhetik
porträtiert.


Ein Ausblick in die Nachkriegsjahre stellt die Frage nach Kontinuität oder Neubeginn nach 1945. Hier sind insbesondere die Werke von Constantin von Mitschke-Collande bemerkenswert, der als einziger Künstler mit Nürnberg-Bezug in der Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München vertreten war.
In seinem in Nürnberg entstandenen Nachkriegsschaffen bezog er sich auf ein mediterran geprägtes Menschenbild.
Das Schaffen der Künstler Dore MeyerVax und Franz Vornberger zeugt hingegen von ihrer anhaltenden Traumatisierung und Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg.
Mit Werken u. a. von Andreas Bach, Jakob Dietz, Irma Goecke, Heinrich Göttler, Hermann Gradl, Julius Graumann, Georg Hetzelein, Anna Klein, Eitel Klein, Erich Kohout, Max Körner, Hans Krieg, Constantin von Mitschke-Collande, Georg Ort, Ria Picco-Rückert, Luis Rauschhuber, Konrad Roth, Georg Vogt, Gerhard Wendland und Hermann Wilhelm.
Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Begleitprogramm mit
Vorträgen, Experten- und Themenführungen.
Es erscheint ein Katalog im Verlag für moderne Kunst im Juli 2022.
Titelbild: Ausstellungsansicht „Grauzonen. Nürnberger Künstler:innen im Nationalsozialismus“(25.06.22-06.11.22) mit Werken von: Karl Seubert, Nürnberg nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, um 1945; Peter Fritz, Nürnberg nach dem Krieg mit Trümmerbahn, nach 1945; Erich Kohout, Ohne Titel (Jahrmarkt), 1947; Karl Seubert, Katharinenruine nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, um 1945; Max Körner, Häuserruinen am Kirchenweg – nach dem Luftangriff im März 1943, 1943; Max Körner, Das zerstörte Nürnberg, 1946 © Kunstvilla/ Stadt Nürnberg Foto: Annette Kradisch
Quelle: Pressemitteilung