Ottmar Hörl, international renommierter Konzeptkünstler sowie Professor und Präsident an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, ist der erste deutsche Künstler, der im Daegu Art Museum in Südkorea ausstellt.
Die Einladung zur Einzelpräsentation mit 12 Großskulpturen kam durch den Nürnberger Galeristen Klaus D. Bode zustande, der das Projekt mitbegleitet. Eva Schickler hat mit beiden über die Ausstellung und die Hintergründe der Ausstellung gesprochen.

Museumsdirektorin Kim Sunhee, Konzeptkünstler Prof. Ottmar Hörl und Galerist Klaus D. Bode
© Dam / Bode Galerie Nürnberg
Ottmar Hörl und der Galerist Klaus D. Bode im Gespräch über ihre Ausstellung „Hommage to Dürer“ im Daegu Art Museum in Südkorea
Eva Schickler: Im Grunde hat alles 2003 mit der temporären Installation des Großen Hasenstücks auf dem Hauptmarkt in Nürnberg angefangen. Klaus Bode zählt zu den Personen, die damals im Vorfeld schon von der Wirkungskraft Deiner Arbeit überzeugt waren, sie mitbefördert haben und dann auch miterlebt haben; diese kommunikative Energie hat viel für Nürnberg bedeutet – und das hält bis heute an! Die Energie basiert auf Deiner Idee, Kunst als Kommunikationsmodell für ALLE Menschen zu definieren. Das Konzept von Hörl hat sich mittlerweile zu einem Welterfolgsmodell entwickelt?
Ottmar Hörl: Das Große Hasenstück 2003 war neben dem Verweis auf Dürers „Großes Rasenstück“ auch eine Problemlösung mit künstlerischen Mitteln. Denn Dürers Aquarell des Feldhasen befindet sich in der Albertina in Wien und nicht in Nürnberg. Als Künstler habe ich also versucht, den Nürnbergern ihren Dürer-Hasen so zurückzugeben, dass sie ihn nie wieder verlieren können. Das hat funktioniert.
Eva Schickler: Wie entstand dann die Idee zur Großskulptur mit dem Motiv des Feldhasen?
Ottmar Hörl: Letztes Jahr hat mich Dr. Klaus Albrecht Schröder, der Direktor der Albertina, eingeladen, zur Ausstellung „Dürer, Michelangelo Rubens – Die 100 Meisterwerke der Albertina“ neue Skulpturen für das Museum zu realisieren. Eine Großskulptur eines Feldhasen wurde im April 2014 mit einem Kran auf den Soravia Wing (das Flugdach über dem Eingang des Museums) gehoben, installiert und verblieb dort bis zum Ende der Ausstellung. Eine zweite Skulptur wurde temporär durch die Stadt getragen.
Eva Schickler: Für Dr. Klaus Albrecht Schröder steht die Großskulptur Deines Feldhasen dafür, dass „Kunst künstlich“ ist?
Ottmar Hörl: Damit betonte er, dass Dürers Aquarell mehr als ein reines Malen nach der Natur, eine geistige, eine gestalterische Leistung ist und zwar mit vielen, komplexen Entscheidungsprozessen.
Eva Schickler: Und nach Wien kam anschließend durch Deine Zusammenarbeit mit Klaus Bode das Museum in Südkorea?
Ottmar Hörl: Ja.
Eva Schickler: Als einzige deutsche Galerie betreibst Du mit dem Bode Project Space @ Daegu eine eigene Repräsentanz in Südkorea. Seit wann bist Du dort aktiv und wie hat sich das entwickelt?
Klaus Bode: In Südkorea sind wir seit 2007 aktiv. Über die Präsentation auf den internationalen Kunstmessen hinaus haben wir dort temporär immer wieder Räume angemietet, um Ausstellungen zu zeigen und entsprechende Vermittlungsarbeit zu leisten.
Selbst während der Krisenjahre sind wir dort geblieben und haben das durchgehalten. Wir entwickelten dann die Idee zu einem Ost-West-Dialog: Also südkoreanische Künstler, die sich mit europäischer Philosophie auseinandergesetzt haben und deutsche Künstler, die von asiatischen Begrifflichkeiten und Ideen inspiriert sind, haben wir gegenübergestellt oder nacheinander in Einzelpräsentationen gezeigt. Der Anspruch dabei ist, von Anfang an die Galeriearbeit und die damit verbundene Vermittlung auf einem hohen Niveau zu betreiben.
Der Sprache kommt folglich eine Schlüsselfunktion zu. Das bedeutet, alle unsere Publikationen werden selbstverständlich auch ins Koreanische übersetzt, außerdem arbeiten wir vor Ort mit einem südkoreanischen Mitarbeiterteam. Das wird von den Menschen entsprechend wahrgenommen.
Eva Schickler: Warum hast Du Daegu als Standort gewählt und wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Daegu Art Museum?
Klaus Bode: Die Stadt Daegu hat etwa zweieinhalb Millionen Einwohner, verfügt über eine zentrale Lage im Land und ist außerdem ein intellektuelles Zentrum. Es gibt eine lange, bedeutende Tradition im Hinblick auf Kunstgeschichte und Kunsthandel.
Im Vergleich zu Nürnberg und seiner historischen Struktur lassen sich Parallelen festmachen – selbst wenn es zwei unterschiedliche Welten sind. Das finde ich charmant und interessant. Als wir letztes Jahr auf der Suche nach festen Räumen waren, wurde uns dieses attraktive Gebäude in Daegu angeboten. Das war wirklich ein Glücksfall. Durch unsere kontinuierliche Galeriearbeit entwickelte sich dann auch der Kontakt zum Museum ebenso wie zu anderen Institutionen.
Eva Schickler: Deine Ausstellung im Daegu Art Museum wurde vor wenigen Tagen erst eröffnet, wie waren Deine ersten Eindrücke?
Ottmar Hörl: Wenn man als europäischer Künstler zum ersten Mal in Südkorea ist spürt man unmittelbar, dass man sich in einem anderen Kulturraum bewegt, selbst wenn die Architektur dort ähnlich funktional gestaltet ist wie in anderen internationalen Städten. Die Menschen begegnen einem alle sehr freundlich, gleichzeitig geht man dort miteinander eher zurückhaltend und sehr respektvoll um. Gefühle lässt man sich nicht so anmerken wie bei uns, das bleibt wahrscheinlich mehr im privaten Raum. Auch hierarchische Strukturen machen sich auf den ersten Eindruck anders bemerkbar als in Europa: je mächtiger man ist, desto zurückhaltender tritt man auf.
Eva Schickler: Gibt es Unterschiede im Hinblick auf die Einstellung zur Kunst?
Ottmar Hörl: Wenn eine Skulptur in einem Museum ausgestellt wird, ist das eine Qualitätszuweisung, die dort niemand in Frage stellt. Die Werteinschätzung von Kunst ist insofern anders als bei uns, da die Südkoreaner ihre Einstellung zu den Dingen definieren, wie sehr diese von anderen geschätzt werden. Je mehr Menschen sich dafür interessieren und diesen Gegenstand besitzen, desto mehr Wertschätzung bedeutet es. Die Begrifflichkeit des Inflationären in Bezug auf Kunst gibt es dort überhaupt nicht. Im Gegenteil, man empfindet das als großes Kompliment, denn der Wert und die Bedeutung eines Kulturgutes werden immer in der Gesamtheit des Kontextes für die ganze Gesellschaft verstanden. Und das ist eine vollkommen andere Betrachtungsweise als bei uns.
Eva Schickler: Das einzigartige Original, das nur einer besitzen kann und megateuer ist, ist in unseren Medien und somit unserer Gesellschaft, zumindest was die Kunstwelt angeht, eine Art Dauerthema. Wie siehst du das?
Ottmar Hörl: Als Künstler mache ich auch Originale. Aber die Idee des Originals wird im Allgemeinen überbewertet. Das Original ist eine Chimäre. Eine künstlerische Leistung liegt im Ausdruck der Wirkung, die sie auf eine Gesellschaft hat. Diese Wirkung ist nicht verhandelbar. Es gibt Bilder, die die Welt verändern wie z.B Picassos Guernica und andere die als Wohnzimmerdekoration dienen.
Dass ein Bild ein Original ist sagt noch gar nichts aus. Ein Original zu machen ist das Einfachste auf der Welt. Viel schwieriger ist es, beispielsweise die Komplexität eines Malvorganges zu wiederholen, also ein identisches Bild zu erstellen. Und wenn Dr. Kruse im Vordertaunus drei schlechte Originale im Wohnzimmer hängen hat, ist das ja nicht weiter schlimm.
Problematischer ist, wenn ein Serienmodell nicht funktioniert und beispielsweise ein Autohersteller eine Rückrufaktion starten muss. Ein Multiple mit einer Auflage von 82 Millionen wie die Unschuld-Seife muss also wirklich gut sein, damit es Generationen überlebt.
Auch Bilder von Gerhard Richter oder Christo werden massenhaft auf Postkarten, Plakaten oder Katalogen reproduziert. Wird die geistige Leistung dadurch schlechter, besser inflationär oder weniger Wert? Nein! Alle Bilder von Gerhard Richter sind teuer, aber sind sie ausschließlich im Hinblick auf ihre Wirkungskraft auch gleich stark?
Zur Idee der Einzigartigkeit kann man vielleicht feststellen: jeder Mensch ist ein absolut einzigartiges Wesen mit einer einmaligen Bewegungsform in Raum und Zeit. Aber gleichzeitig ist das wiederum auch nicht so außergewöhnlich, wenn man in Betracht zieht, dass sehr viele Menschen auf der Welt existieren. Das Original in der Kunst ist eine heilige Kuh. Man schlachtet sie nicht. Insofern muss man feststellen: die Ikonografie des Originals ist noch nicht wirklich ausdiskutiert und geklärt.
Eva Schickler: Ja, das ist wirklich eine spannende Thematik für sich. Kann man schon etwas zur Resonanz der Skulpturenpräsentation bisher sagen oder ist das noch zu früh?
Klaus Bode: Was man schon sagen kann ist: die Südkoreaner haben Ottmar Hörls Konzept, den gesamten Prozess als Kunst zu definieren, sofort begriffen. Zum aller ersten Mal in der Geschichte dieses Museums wurde folglich der Museumsraum für diese Skulpturenpräsentation erweitert, um den öffentlich zugänglichen Außenraum mit einzubeziehen.
Die Präsentation dauert noch bis 6. Dezember 2015 und das Interesse ist insgesamt erfreulich groß. Ein weiteres sehr renommiertes Museum hat Skulpturen für die Sammlung angekauft und andere asiatische Museen und Institutionen sind interessiert. Auch beim Publikum findet die Installation großen Anklang. Also alles läuft bis jetzt ausgesprochen gut.
Eva Schickler: Was mich noch sehr interessieren würde: Asien ist ja ein anderer Kontinent mit einer anderen Kultur. In Deutschland fällt mir auf, wir sind immer sehr schnell im Kritisieren, Etikettieren und Bewerten, alles wird in eine Schublade gesteckt und bleibt erstmal da drin.
Rainer Maria Rilke hat dazu gesagt:
„Mit nichts kann man ein Kunst-Werk so wenig berühren, als mit kritischen Worten: es kommt dabei immer auf mehr oder minder glückliche Missverständnisse heraus. Die Dinge sind alle nicht so fassbar und sagbar, als man uns meistens glauben machen möchte.“
Ich stelle immer wieder fest, dass sich viele Menschen nicht mehr wirklich mit dem Werk eines Künstlers auseinandersetzen. Stattdessen urteilt und verurteilt man sofort, auch ohne nachgedacht zu haben. Also ohne sich mal zu fragen: Warum macht er das eigentlich so? Wie kommt er eigentlich dahin? Welche Prozesse, Gründe, Überlegungen stehen dahinter? Diese Beobachtung verblüfft mich auch, da dies durchaus Menschen vom Fach wie Kulturjournalisten, Professoren oder Künstler betrifft, also Menschen von welchen man gerade das Gegenteil erwarten würde. Wie sind Deine Erfahrungen? Gehen die Menschen in Südkorea anders auf die Kunst zu als bei uns?
Klaus Bode: Meiner Meinung nach haben wir global ein sehr hohes Sättigungsniveau erreicht was die Informationsflut angeht. Ich sehe, dass in den Medien eine „Mainstreamisierung“ stattfindet. Das meiste wird mehr oder weniger austauschbar und auch übernommen ohne, dass es noch reflektiert wird. Man redet, ohne nachzudenken, vielleicht nur, um auch mitzureden zu können. Aber von einem Kulturjournalisten erwarte ich immer noch, dass er sich mit dem Werk eines Künstlers auseinandersetzt, und dass er reflektiert, was er schreibt. Hat er beispielsweise nicht erkannt um was es da eigentlich geht, hat er seinen Job vielleicht nicht ganz begriffen.
Südkorea ist trotz medialer Flut anscheinend doch noch etwas anderes. Aber das kann ich natürlich nur aus meiner eigenen persönlichen Sichtweise wahrnehmen. Ich als Europäer empfinde schon, dass Menschen dort anders denken, fühlen und sprechen. Und was ich einfach immer wieder feststelle ist: wenn sich ein Südkoreaner für etwas interessiert, dann fragt er viel und sehr genau nach. Er setzt sich anschließend zuhause weiter damit auseinander und kommt dann am nächsten Tag mit ganz vielen weiteren Fragen wieder.
Und im Allgemeinen spricht man auch nicht unbedingt über eine Sache, von der man nichts weiß. Tatsächlich erlebe ich es in Deutschland immer seltener, dass Menschen ein ernsthaftes Interesse haben, sich ein tieferes Verständnis von dem Werk eines Künstlers erschließen zu wollen, möglicherweise geht das bei uns immer mehr verloren.
Eva Schickler: Wie sieht die weitere Zusammenarbeit aus? Gibt es Pläne?
Klaus Bode: Wir präsentieren auf drei internationalen Kunstmessen in Südkorea: der Busan Art Show, der KIAF und der Daegu Art Fair einen Querschnitt unseres Programms und wie bisher werden auf allen drei Messen auch Werke von Ottmar Hörl mitvertreten sein. Außerdem eröffnen wir am 24. April 2015 im Bode Projekt Space @ Daegu eine Solo-Präsentation mit den Fotokonzepten von Ottmar Hörl.
Eva Schickler: Welche Ausstellung steht bei Dir als nächtes an?
Ottmar Hörl: Die internationale Kunstmesse Art Karlsruhe.
Eva Schickler: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!