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PARADISE 3.0 – Reise in die Zukunft mit dem Kollektiv co>labs

Foto: PREMIERE co>labs Paradise 3.0 - © Mostafa Shabkhan

PARADISE 3.0 
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19. & 20.1.2018, Tafelhalle Nürnberg
kunstnürnberg im Gespräch mit dem Kollektiv co>labs 

Seit 1999 entwickeln Beate Höhn (Choreografie und Tanz) und Arne Forke (Theaterregie & Dramaturgie) mit der Compagnie co>labs interdisziplinäre performative Projekte. Mit dem Bildenden Künstler Peter Wendl (Akademie der Bildenden Künste Nürnberg) und einem internationalen Ensemble erarbeiten co>labs nun seit 2015 interkulturelle und interdisziplinäre Recherchen zum Thema Paradies.

Kunstnürnberg traf Beate Höhn und Peter Wendl anlässlich der Premiere von Paradise 3.0  zum Gespräch.

co>labs, Paradise 3.0, Tafelhalle Nürnberg, 19.1.2018, Foto: Peter Wendl

co>labs, Paradise 3.0, Tafelhalle Nürnberg, 19.1.2018, Foto: Peter Wendl

kunstnürnberg: Die neue co>labs Produktion „Paradise 3.0“ bildet nach „Trouble in Paradise“ (2015) und „Paradise 2.0“ (2017)  den dritten Teil eurer Paradies-Trilogie und feiert am 19.1.18 Premiere in der Tafelhalle. Wie kam es zu diesem Themenschwerpunkt?  

Beate Höhn: Durch eine Drei-Jahres-Förderung von der Stadt Nürnberg entstand die Idee zu einer Trilogie. Es ist natürlich fantastisch die Möglichkeit zu haben, sich über drei Jahre hinweg mit einem Thema zu beschäftigen, zu recherchieren, auch zu reisen. Wir haben Künstler*innen aus dem Libanon und dem Iran kennengelernt, uns viel ausgetauscht und sind durch die gemeinsamen Gespräche irgendwie auf das große Thema Paradies gekommen.

kunstnürnberg: Wie definiert ihr im Kontext eurer Beschäftigung den Paradies-Begriff?

Peter Wendl: Der Paradiesbegriff stellt die Frage danach, wie wir zusammenleben wollen. Ein Thema, das heute sehr wichtig geworden ist. Klar – man könnte sagen, dass sich die eigene Zeit immer am virulentesten anfühlt. Dennoch ist es so, dass sich zur Zeit sehr viele Menschen in einem sehr instabilen, krisenhaften Zustand befinden. Das kann uns nicht zufrieden stellen.

kunstnürnberg: Was könnt ihr über die ersten beiden Paradies-Projekte sagen?

Beate Höhn: Der erste Teil, „Trouble in Paradise“, ging 16 Stunden und stellte eine Art Camp-Format dar. Mit einer Choreographin, die damals gerade aus Damaskus geflohen war bis hin zu einer Schamanin, die ein mitternächtliches Ritual durchführte, vereinten wir verschiedenste Ansätze. Und es hat uns absolut positiv überrascht, dass die Leute in Massen mit ihrem Schlafsäcken angerückt sind, es waren die ganze Nacht Menschen da, sogar in der Früh um 5 Uhr zum Yoga, zum Frühstück.
Daraus wurde klar, dass es wohl beim Nürnberger Publikum eine Sehnsucht danach gab, sich mit einem solchen Format und auch einer neuen Sichtweise auf Theater auseinanderzusetzen. In „Paradise 2.0“ führten wir die Idee, das Publikum Anteil haben zu lassen, weiter, um das jetzt bei „Paradise 3.0“ nochmals zu verstärken.

kunstnürnberg: Mit „Paradise 3.0“ entwerft ihr ein alternatives, fiktionales Zukunftsmodell, das mit dem Dagewesenen spielt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Beate Höhn: Wir haben uns stark mit den Biokosmisten der 1920er Jahre befasst, die aus der russischen Avantgarde kommen, da diese sich sehr viel mit Zukunft und Unsterblichkeit auseinandersetzten. Das wiederum ist ja heute z.B. mit den Robotniks bzw. dem schnellem technischen Fortschritt ziemlich interessant.

Peter Wendl: Wir nutzen die Rückschau auf die Utopisten der 1920er Jahre, um uns selbst darüber klar zu werden, woran diese Utopien gescheitert sind: Sie waren allesamt dogmatisch und bisweilen faschistoid. Das wollen wir während des Abends thematisieren, um dann auf einer Metaebene zusammen mit dem Publikum eine Gemeinschaft zu kreieren, in der Formen eines möglichen zukünftigen Zusammenlebens befragt werden. Auch die Fragen des Todes und der Geburt spielen eine wichtige Rolle. Es gab in den 1920er Jahren einige Autor*innen, die tatsächlich das ewige Leben proklamierten und dazu medizinische Versuche unternahmen, was dazu führte, dass sie daran kläglich gestorben sind. Interessant für uns ist der Blick auf dieses gescheiterte Ansinnen, das wiederum äußerst modern ist.
Yuval Noah Harari umschreibt ja zum Beispiel in seinem Buch „Homo Deus“ die Unsterblichkeit als das große Projekt des 21. Jahrhunderts. Ein anderer Referenzpunkt war für uns Stephen Hawking, der in seiner populären Rolle immer wieder mit steilen Thesen auftritt. Er hat kürzlich auf einer Konferenz der Menschheit empfohlen, innerhalb der nächsten 1000 Jahre die Erde zu verlassen, weil die Katastrophen – handgemachte wie auch naturbedingte – die der Menschheit drohen, innerhalb der nächsten 10 000 Jahre so stark einschlagen werden, dass sie die Erde unbewohnbar machen.
Das haben wir dann u.a. zum Anlass genommen, diese Reise zusammen mit unseren Zuschauer*innen einmal durchzuspielen.

kunstnürberg: Euer Ensemble setzt sich ja international zusammen, aus welchen Ländern kommen die beteiligten Künstler*innen?

Peter Wendl: Aus dem Iran, Libanon, Belgien, USA, Deutschland.
Beate Höhn: Japan und Russland.

kunstnürnberg: Fließt eine Auseinandersetzung mit politischen Unruhen bzw. Ereignissen, wie sie sich zum Beispiel gerade im Iran vollziehen, in eure künstlerische Arbeit ein?

Beate Höhn: Also ich habe, um ehrlich zu sein, ein wenig Panik, da unsere iranischen Künstler*innen natürlich alle mit demonstrieren. Wenn jetzt einige nicht kommen könnten, wäre das fatal, denn sie sind alle auf entscheidende Weise in das Projekt involviert.

Peter Wendl: Und wir überlassen es den Künstler*innen selbst, ob und wie sie damit umgehen. Ich glaube, wir können da mit unserem Blick wenig dazu beitragen. Zwar hören wir über Medien und Presse viel, wirklich Einblick haben wir aber nicht.

Beate Höhn: Auch wird es am Ende des Projekts wieder ein großes gemeinsames Essen mit den Künstler*innen und den Zuschauer*innen geben, das kann dann hoffentlich auch Raum geben, um solche Themen offen zu diskutieren.

Foto: PREMIERE co>labs Paradise 3.0 - © Mostafa Shabkhan

co>labs Paradise 3.0 – Foto © Mostafa Shabkhan

kunstnürnberg: Neben der internationalen Zusammensetzung des Ensembles initiiert ihr beide seit 2015 eine Mitarbeit von Studierenden im Paradies-Projekt. Wie sieht diese konkret aus?

Peter Wendl:  Ich bin Dozent an der Kunstakademie und betreue dort den Fachbereich für Transmediale Räume, der sich mit Design, Architektur und Performance beschäftigt.
Dort kommen Studierende aus allen Fachbereichen bzw. Klassen zusammen. Seit dem ersten Paradies-Projekt besteht nun eine Zusammenarbeit zwischen der Tafelhalle/co>labs und der Akademie. D.h. die Studierenden entwickeln zu den jeweiligen Themen eigene Beiträge. In „Paradise 3.0“ wird das Foyer der Tafelhalle mit eigenen Installationen von Studierenden bespielt. Auch gibt es einen Studenten, der schon „Paradise 2.0“ filmisch begleitet hat, das wird er nun bei „Paradise 3.0“ wieder tun.

Beate Höhn: Auch Tanzstudierende sind dabei. Ich wollte für die Paradies-Trilogie bewusst mit sehr jungen Tänzer*innen arbeiten. Manche haben mit dem Projekt ihr erstes Engagement und arbeiten mit anderen zusammen, die schon etwas mehr Erfahrung haben, wie zum Beispiel Max Levy, der jetzt eine Weile lang am Staatstheater Nürnberg im Ballettensemble engagiert war.

kunstnürnberg: Könnt ihr schon etwas zu kommenden Projekten verraten? 

Beate Höhn: Das hängt bei uns – da wir eine freie Compagnie sind – immer extrem von der Finanzierung ab. Die letzten drei Jahre sind wir wahnsinnig gepflegt worden und – das muss man an dieser Stelle auf jeden Fall sagen – außerdem gibt es da die Tafelhalle, die uns als fester Partner immer unglaublich unterstützt und hinter unseren außergewöhnlichen Projekten steht, das würde nicht jedes Stadttheater entsprechend tun. Die Drei-Jahres-Förderung ist mit „Paradise 3.0“ vorbei, wir haben wieder einen Antrag bei der Stadt Nürnberg gestellt. Sehr gerne würden wir ähnlich zum jetzigen Format weiterarbeiten, das internationale Team beibehalten und die Zusammenarbeit mit Peter und den Bildenden Künstler*innen weiterführen.

kunstnürnberg: Am 19.1. & 20.1. wird aber jetzt erst einmal in die Zukunft gereist! Startpunkt: Tafelhalle, 20 Uhr. Wir dürfen gespannt sein! Danke für das interessante Gespräch und alles Gute für eure weiteren Projekte! 

Beate Höhn & Peter Wendl: Danke auch.


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