Dr. Alexander Racz: Frau de Ligt, Sie haben 2020 die Leitung der kunst galerie fürth übernommen, wo sie im Jahr 2018 bereits als Gastkuratorin wirkten. Welche Änderungen in der Struktur und im Programm der kunst galerie fürth haben sie seitdem vorgenommen?

Natalie de Ligt: Es finden nun etwa vier Ausstellungen im Jahr statt, die eine längere Laufzeit von acht Wochen im Schnitt haben. Vorher war die Taktung dichter, und die Ausstellungen waren kürzer. Die längere Laufzeit von Ausstellungen ist für mich insofern wichtig, da so die gezeigten Positionen, die Inhalte, die Konzepte intensiver vermittelt werden können. Es gibt mehr Veranstaltungen und möglichst zu jeder Ausstellung ein KünstlerInnengespräch. Auch ein umfangreiches kunstpädagogisches Programm kann durch die längere Ausstellungsdauer geboten werden.
AR: Haben sich die Ausstellungen unter Ihrer Leitung inhaltlich verändert?
NdL: Ich denke schon. Das liegt natürlich auch daran, dass ich eine andere Generation bin als mein Vorgänger Hans-Peter Miksch. Jede neue Person bringt neue Impulse.
Ich habe etwa die Reihe „Display“ ins Leben gerufen. Die kunst galerie fürth hat eine große Fensterfront zum Königsplatz an einer vielbefahrenen Kreuzung. Das Fenster wurde aktiviert, um KünstlerInnen einzuladen, in regelmäßigen Abständen diese Fensterfront zu bespielen. Die Idee ist in der Pandemie entstanden, weil alles geschlossen war und die Sichtbarkeit von Kunst und KünstlerInnen einfach so weg war. Dieses Format haben wir beibehalten. Zwei bis drei Mal im Jahr gibt es nun ein neues „Display“.
AR: Fokussierten die Ausstellungen früher mehr auf das Regionale, mit hiesigen KünstlerInnen?
NdL: Es ist ja die Aufgabe der Städtischen Galerie, die regionale Szene mit einzubinden, was ich sehr gerne tue und für mich selbstverständlich ist. Und gleichzeitig sollen auch aktuelle überregionale und internationale Positionen der Gegenwartskunst vorgestellt werden.
AR: Die Kunst oder auch die Institutionen mussten neue Wege finden und sich da auch Sachen trauen, die vielleicht vorher gar nicht möglich waren und die anschließend beibehalten wurden.
Die kunst galerie fürth soll in die Alte Feuerwache, die sich in unmittelbarer Nähe befindet, umziehen. Wie laufen die Planungen?
NdL: Das ist einerseits ein Lieblingsthema von mir und andererseits mit etwas Wehmut verbunden. Für die kunst galerie fürth laufen die Planungen insofern gut, weil seitens der Stadt gesetzt ist, dass wir in die Fahrzeughalle der Alten Feuerwache einziehen und dort endlich auch den Raum für die kunstpädagogische Arbeit unter einem Dach haben, der aktuell ausgelagert ist. Es wird großartig sein, wenn wir endlich mehr Platz haben und auch infrastrukturell auf einen für eine Städtische Galerie angemessenen Stand kommen.
Aber solche großen Projekte verzögern sich immer. Nachdem nun die Feuerwehr in ihr neues Domizil gezogen ist, muss das alte Gebäude saniert werden. U. a. muss es auf Schadstoffe untersucht und ein Nutzungsplan erstellt werden. Die kunst galerie fürth ist ja nicht die einzige Institution oder Gruppe, die den Gebäudekomplex nutzen soll. Anschließend folgt ein anspruchsvoller Umbau.
AR: Es wird also noch etwas dauern.
NdL: Man muss wirklich mit einem Minimum von sieben Jahren rechnen. Und ich bin mittlerweile eher bei zehn Jahren.
AR: Aktuell läuft die Ausstellung „Murmelrausch“ der Künstler Annett Langer, Hans-Thomas Langer und Stephan Schwarzmann. Um was geht es?
NdL: Es ist ein sehr besonderes Projekt, ein partizipatives, interaktives Kunstprojekt, das an der Schnittstelle von freier Kunst und Kunstvermittlung steht. Die drei Künstler haben eine gigantische Murmelbahn in die kunst galerie fürth eingebaut. Sie führt vom Obergeschoss nach unten in den Raum. Dieses Kunstwerk kann von den Besuchern jeden Alters genutzt werden mit einer Murmel, die man am Eingang erhält.
Auch die Wände wurden teilweise mit Murmelbahnelementen bespielt, an denen mit drei Schulklassen weitergebaut wurde. Nach der Eröffnung gibt es eine Phase von zwei Wochen mit einem „Open Lab“, einem eigens geschaffen Bereich für offenes Bauen. Alle ab 10 Jahren dürfen hier mit Unterstützung unseres Kunstvermittlungsteams weiterbauen.
AR: Das ist eine interessante Sache! Wie entstand die Idee zu dem Projekt?
NdL: Im Austausch mit meiner Kollegin Rebecca Suttner, die für die Kunstvermittlung zuständig ist. Sie war vor ein paar Jahren während der Pandemie in Nürnberg an einer Aktion beteiligt. Da hatten eben die drei Künstler, die jetzt auch die Murmelbahn machen, eine große Murmelbahn im Stadtpark gebaut, wo Besucher sich aus einem Automaten eine Murmel ziehen und dann diese Murmelbahn benutzen konnten. Ich war sehr begeistert von der Installation. Es ist einfach klasse, weil das Projekt über alle Altersgrenzen hinaus funktioniert.
Annett und Hans-Thomas Langer arbeiten oft in künstlerischen Zusammenhängen, wo sie Dinge bauen und spielerisch mit Material umgehen. Stephan Schwarzmann ist ein recht bekannter Künstler und hervorragender Druckgrafiker, der gerne experimentiert.
AR: Die Murmelbahn passt natürlich auch gut in die Region mit Playmobil in Zirndorf oder Bruder-Spielwaren in Burgfarnbach.
Wie bewerten Sie die Entwicklung im Ausstellungsbereich des Großraums Nürnberg nach der Pandemie. Hat sich die Lage schon an das Vor-Pandemie-Niveau angenähert?
NdL: Ich kann natürlich nur von meinen Beobachtungen in der kunst galerie fürth sprechen. Ich würde sagen, dass es viele Leute gab, die richtig ausgehungert waren und wieder Kultur erleben wollten. Mittlerweile hat es sich ein bisschen eingependelt. Die Vor-Pandemie-Besucherzahlen sind in der kunst galerie fürth noch nicht erreicht. Bei Eröffnungen und einzelnen Veranstaltungen ist es aber so, dass wir mal mehr BesucherInnen verzeichnen, dann eher weniger, was Rätsel aufgibt.
AR: Es gibt jetzt wieder ein großes Angebot an Kunstveranstaltungen in der Region, dass erst durch viele Förderungen möglich gemacht wurde.
NdL: Ich habe den Eindruck, dass immer noch ein bisschen der Stau aus der Pandemie abgearbeitet wird. Ich selbst komme bisweilen kaum hinterher bei den vielen Angeboten. Wohl auch deshalb, weil viele neue Formate entstanden sind.
AR: Es hängt auch mit der verstärkten Nutzung des Internets insbesondere durch kleine Vereine und KünstlerInnen – gerade auch der älteren Generation – zusammen, die inzwischen Werbung auf Instagram für ihre Veranstaltungen machen.
Welcher Fortschritt beziehungsweise welche Entwicklungen sind im Kulturbetrieb der Region nötig und sollten umgehend auf die Agenda der Kommunalpolitik gesetzt werden.
NdL: Ich arbeite jetzt in einer städtischen Institution und ich glaube, dass es in der Verwaltung zu viele bürokratische Hindernisse für die Kultur gibt. Ich würde sagen, dass man das an der Art der Unterstützung in Sachen Personal, Infrastruktur, Organisation merkt, die man bürokratisch erleichtern sollte. Wobei das natürlich auch andere Bereiche der Gesellschaft betrifft.
AR: Vielen Dank für das Interview!
Aktuelle Ausstellung:
Murmelrausch
23.7.-10.09.2023
in der kunst galerie fürth, Königsplatz 1
90762 Fürth
Kunst Galerie Fürth – Start (fuerth.de)
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Titelbild: Display No.4: Stephan Schwarzmann, NONA, 2022, Foto: Annette Kradisch