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Amely Deiss über das Kunstpalais Erlangen 2016

Marion Auburtin Clown Malefique (aus der Serie La Nuit des Masques), 2014 Öl auf Papier, 40 x 50 cm, Courtesy the artist

Amely Deiss, die Leiterin des Kunstpalais Erlangen, berichtet im Interview über das Ausstellungsprogramm im Jahr 2016 und von der Kunstszene des Großraums Nürnberg.

Die Kunstszene im Großraum Nürnberg und das Programm des Kunstpalais Erlangen im Jahr 2016

Ausstellungsansicht "Christian Werner: Stillleben BRD - Inventur des Hauses von Herrn und Frau B., Kunstpalais 2016 Foto: Erich Malter

Ausstellungsansicht „Christian Werner: Stillleben BRD – Inventur des Hauses von Herrn und Frau B., Kunstpalais 2016
Foto: Erich Malter

Kunstnürnberg: Ein Jahr Erlangen/Region Nürnberg. Wie bewertest du die hiesige Kunstszene? Was läuft gut und wo siehst du einen Verbesserungsbedarf?

Amely Deiss: Nach einem Jahr hier muss ich sagen, dass ich schon sehr begeistert davon bin, was es hier alles gibt. Das habe ich davor auch schon geahnt und war bereits öfters hier, gerade in größeren Institutionen, aber im Laufe des Jahres habe ich gesehen, dass es noch so viel mehr gibt, wo es sich lohnt, hinzugehen. Man kommt kaum nach!

Sei es in der Kunsthalle Nürnberg, wo es immer super Themenausstellungen gibt oder im Kunstverein Nürnberg, der die verrücktesten Künstler herholt oder das Neue Museum Nürnberg, das die Großmeister unserer Zeit auffährt.

Dann gibt es ja noch das Zumikon und auch ein paar tolle Galerien. Auf AEG kann man sich immer mit jemandem verabreden, der einem dann wiederum neue Leute vorstellt, die im Nachbaratelier sind und etwas aufregendes zu bieten haben. Und als neuen Entdeckung, das muss ich dir ja nicht erzählen: das Edel Extra – ein kleiner, super Kunstverein, selbst betrieben mit spannenden Ausstellungen und auch absurden Programmen. Jetzt habe ich gerade gesehen, dass man sich dort in einer Kunstaktion tätowieren lassen konnte.

Kunstnürnberg: Der Künstler, der das gemacht hat heißt René Radomsky. Er studiert an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und lernt auch das Tätowiererhandwerk.  Der hat sich die Aktion ausgedacht. Er tätowiert seine Unterschrift auf die Leute und ergreift so von Ihnen Besitz, macht sie zu seinem Objekt/Kunstwerk.

Amely Deiss: Super Idee! Also Timm Ullrichs, ein Künstler den ich ganz großartig finde, hat sich ja selbst auch tätowiert, unter anderem auf den Fuß, und „Copyright Timm Ulrichs“ drauf geschrieben. Der Ansatz, dass man sich hier als Besucher durch den Künstler zu einem Kunstwerk machen lassen kann ist natürlich auch ziemlich gut.

Also es gibt hier in der Region so viel und so viel Spannendes zu entdecken. Man kommt kaum nach, alles zu sehen.

Verbesserungsbedarf. Ja, ich denke es gibt hier viel zu wenige Ateliers, immer noch. Wenig Raum für günstige Künstlerateliers. Ich weiß, dass Erlangen auch dabei ist, daran zu arbeiten und in Nürnberg gibt es auch immer Bestrebungen unterschiedlicher Art, aber das reicht alles noch nicht. Bezahlbare Ateliers sind natürlich eine Grundbedingung dafür, dass sich hier in der Region künstlerisch was tun kann. Man muss den vielen tollen Künstlern, die man jedes Jahr an der Akademie sieht, auch die Möglichkeit geben, hier zu arbeiten und sich zu vernetzen. Das ist erstmal etwas ganz wichtiges. Und daraus entstehen dann auch Offspaces und kleinere Geschichten, die dann für die Dynamik in der Region einfach wichtig sind. Es reicht halt nicht, nur institutionell etwas schönes zu machen, was natürlich auch Bedingung ist, aber man muss sich in alle Richtungen, zum größeren und zum kleineren, ideal vernetzen. Ein paar mehr Galerien, damit die Arbeiten der Künstler nicht nur gezeigt, sondern auch verkauft werden können, wären natürlich auch hilfreich!

Ich habe leider noch nicht alle Protagonisten der hiesigen Kunstszene kennenlernen können, aber das erste Jahr ist ja auch erst gerade vorbei. Die, die ich bereits kenne, sind alle sehr offen und interessiert an Vernetzung und Ideen, so dass man sich überlegen kann, ob man nicht einmal ein übergeordnetes Projekt in Angriff nehmen könnte. Nicht im Sinne einer von oben dirigierten Kooperation, sondern es setzen sich interessierte Leute zusammen und sagen z.B. „nächstes Jahr machen wir das“ und dann sagen die anderen „ah ja, das passt ja gut zu dem was wir machen. Lass uns das doch irgendwie, auch werbetechnisch, von den Veranstaltungen her zusammenschließen.“ So etwas kann man immer machen, und das bringt allen beteiligten einen Mehrwert.

Christian Werner "o.T. (aus der Serie: Stillleben BRD)", 2014 C-Print // 40 x 60 cm // Courtesy the artist

Christian Werner „o.T. (aus der Serie: Stillleben BRD)“, 2014
C-Print // 40 x 60 cm // Courtesy the artist

Kunstnürnberg: Ja mit Vernetzung hast du einen wichtigen Punkt angesprochen. Es gibt in der Region viele Künstler, die alle in ihren Ateliers in verschiedenen Stadtteilen in Nürnberg bzw. in Städten wie Fürth und Erlangen arbeiten. Mir ist aufgefallen, dass hier, gerade zwischen jüngeren und älteren Künstlern noch viel Potenzial zur Vernetzung vorhanden ist. Der Gostenhofer fährt nicht so oft in die Nordstadt und andersherum.

Amely Deiss: Ja, man denkt ja immer, dass alles so dicht zusammen ist. Wenn man andere große Städte anschaut oder nach Berlin blickt, wo man immer eine Stunde braucht um irgendwohin zu kommen, ist man hier in der Region ja wunderbar schnell überall. Aber irgendwie sind die Städtegrenzen und auch die Grenzen zwischen den Nürnberger Stadtteilen immer noch so groß, dass man sich spezielle Dinge überlegen muss, um einen Anreiz zu schaffen, dass die Leute diese Grenzen überwinden.

Kunstnürnberg: Hast du eine Idee, was so etwas „Spezielles“ sein könnte?

Amely Deiss: Das ist natürlich immer recht schwierig, so etwas hinzukriegen. Ich habe neulich mit einer Kollegin aus einem anderen Haus hier in der Region gesprochen. Man könnte zwei Ausstellungen machen, die für sich genommen total selbstständig funktionieren. Und trotzdem gibt es einen Mehrwert, wenn man beide anschaut. Also beide Ausstellungen gehören irgendwie zusammen, sind aber nicht zusammen ‚hergestellt‘ worden. Und das Geheimnis ist dann, möglichst viele Leute aus der Region einzubinden, zu Veranstaltungen zu holen. Die müssen zumindest einmal rüberkommen. Dann ist oft der Bann gebrochen. Das ist immer diese verhexte Geschichte mit dem ersten Mal. Wenn das erste Mal geschafft ist, dass man jemand irgendwo reinholt oder jemand diese Strecke macht und sieht, es ist ja gar nicht so weit, lohnt sich aber so sehr. Oder wenn man merkt, dass die Künstler und die Ausstellungsmacher in der anderen Stadt ja auch ganz nett und interessant sind. Dann ist schon viel geschafft.

Kunstnürnberg: Vor einigen Jahren gab es in Nürnberg die Ausstellung „30 Künstler – 30 Räume“, die in mehreren wichtige Ausstellungshäusern gleichzeitig gezeigt wurde.

Amely Deiss: Ja, die Ausstellung habe ich damals auch gesehen und war total begeistert. Da sind einfach Wahnsinns-Arbeiten zusammengekommen. Das Interessante war, es gab eigentlich keine inhaltliche Vorgabe, keine Doktrin für ein bestimmtes Thema. Eher ein kleiner Zusammenhang mit einer großen Wirkung: nämlich mussten es einzelne Installationen sein, jeweils an die Räume und Häuser angepasst. Da konnte man die verrücktesten Sachen sehen. Das war auf jeden Fall ein guter Zusammenschluss der verschiedenen Häusern in Nürnberg. So etwas könnte man natürlich auch mal auf die Region ausweiten. Aber das ist dann natürlich auch ein unglaublicher Verwaltungsaufwand, das darf man nicht romantisieren.

Kunstnürnberg: Die Biennale der Zeichnung hat sich städteübergreifend bereits etabliert. Organisiert wird die Biennale von Margit Mohr, der Leiterin des Galeriehaus Nords in Nürnberg. Neben diesem Nürnberger Standort gab es parallel Ausstellungen in Fürth, Erlangen, Schwabach und Zirndorf.

Amely Deiss: Ja genau, auch sehr interessant, die Biennale! Solche Sachen müssen sich immer erst einmal etablieren, das dauert, aber dann lohnt es sich. Ich komme aus der Nähe von Fellbach in Baden-Württemberg, wo die Triennale der Kleinplastik stattfindet. So genau weiß ich es jetzt auch nicht, aber ich denke, das Ganze ist einer Initiative des Kulturamtes entsprungen. Und inzwischen ist die Triennale ein deutschlandweites Ereignis mit tollen Kuratoren. Man muss sowas etablieren und dann läuft’s auch. Aber man muss es halt erstmal machen.

Lars Teichmann "Smaragd angel", 2015 Acryl und Lack auf Leinwand // 200 x 270 cm // Courtesy the artist

Lars Teichmann „Smaragd angel“, 2015
Acryl und Lack auf Leinwand // 200 x 270 cm // CourtesLars Teichmann „Smaragd angel“, 2015
Acryl und Lack auf Leinwand // 200 x 270 cm // Courtesy the artisty the artist

Kunstnürnberg: Im letzten Interview auf Kunstnürnberg hast du gesagt, du möchtest auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Ist deine Strategie erfolgreich und mit welchen Methoden hast du versucht dein Ziel zu erreichen?

Amely Deiss: In diesem einen Jahr sind wir schon ziemlich weit gekommen. In Kürze haben wir den einjährigen Geburtstag unseres Formates „Kleine Meister“ und unser „Kunstclub Artyschock“ feiert auch sein Einjähriges. Diese beiden neuen Formate sind bereits gut angelaufen. So etwas braucht natürlich aber immer Geduld und einen langen Atem.

Die kleinen Meister sind unsere Samstagsveranstaltungen für Kinder, die auch alleine ins Kunstpalais kommen können, während die Eltern sich in der Stadt rumtreiben. Die Kinder bekommen von uns eine Führung durch die laufende Ausstellung und anschließend gibt es einen Workshop. Man darf nicht gleich verzweifelt sein, wenn bei den ersten drei Workshops nur drei Kinder dabei sind. Im Laufe der Zeit kommen dann sechs und dann irgendwann zehn und schnell kann man keine Anmeldungen mehr annehmen.

Für das jüngere Publikum wie Schüler und Studenten haben wir mehr Veranstaltungen im Programm und das spricht sich nach und nach auch rum. Man muss diese Programme sehr viel und offensiv verbreiten. Denn es bringt ja nichts, nur neue Formate ins Leben zu rufen, wie den Kunstclub Artyschock, unseren Kunstclub für „junge“ Kunstinteressierte, die grob zwischen 18 und teilweise über 40 Jahre alt sind. Man muss diese Formate auch beleben und wachsen lassen. Es hat viel zu tun mit den Personen, die agieren, und mit wie viel Begeisterung auch die Mitglieder das Thema nach außen tragen und andere begeistern.

Christian Werner "o.T. (aus der Serie: Stillleben BRD)", 2014 C-Print // 40 x 60 cm// Courtesy the artist

Christian Werner „o.T. (aus der Serie: Stillleben BRD)“, 2014
C-Print // 40 x 60 cm// Courtesy the artist

Im Kunstclub Artyschock haben wir einmal im Monat ein Treffen mit einem bestimmten Programmpunkt, wie z.B. eine Künstlerführung oder – was sich auch schon gut etabliert – die Baustellenführung. Wir gehen also ein paar Tage vor Eröffnung durch die noch nicht fertig aufgebaute Ausstellung, meist mit einem Künstler, und zeigen, wie eine Ausstellung, die noch im Entstehen ist, aussieht. Ein Blick hinter die Kulissen, den sonst niemand bekommt. Anschließend stehen die Mitglieder des Kunstclub noch etwas bei einem Getränk zusammen und können sich austauschen. Da hat man dann als Veranstalter dann auch die Möglichkeit, die Leute zu fragen was sie denn machen und woher sie von der Veranstaltung erfahren haben. Das ist immer spannend zu hören. Neben Studenten der Kunstgeschichte hab ich auch schon eine Elektrotechnikstudentin getroffen, einen jungen Anwalt, eine Ärztin, eine Köchin, zwei Informatiker… Die Veranstaltungen verbreiten sich also auch deutlich über die Kunstgrenzen hinaus, was uns besonders freut. Das ist wirklich auch ein Erfolg. Aber wir ringen natürlich auch immer um die Kunsthistoriker. Neulich haben wir zwei Tage vor der Eröffnung der beiden laufenden Ausstellungen eine Studentenpreview gemacht, die groß beworben wurde. Es gab freien Eintritt und ein Freigetränkt, eine Führung und Gespräche im kleinen Rahmen. Da haben wir dann wieder ein paar neue Artyschock Mitglieder werben können. Man muss da immer dran bleiben – und wir haben auch, abgesehen von den üblichen Werbemitteln, ziemlich viel bei Social Media gemacht. Das ist natürlich zunehmend  um solche Zielgruppen zu erreichen. Ach ja, und da haben wir auch noch die Tweet-Ups, die sich auch an das jüngere Publikum richtet – beziehungsweise vor allem bei diesem gut funktioniert bisher.

Kunstnürnberg: Kannst du das kurz erklären?

Amely Deiss: Es gibt eine Führung durch die Ausstellung und, anders als normalerweise, wo es einfach unhöflich wäre, die ganze Zeit aufs Handy zu schauen, muss man das beim Tweet-Up sogar. Nur die Leute, die selber twittern, bekommen freien Eintritt. Beim Tweet Up soll man die Ausstellung mit allen Leuten da draußen im Netz teilen, indem man fotografiert, filmt, seine Ansichten dazu twittert und natürlich immer mit den passenden Hashtags versieht. Dann diskutieren nämlich auch Leute von draußen mit, reagieren darauf, kommentieren die Bilder, und es entsteht ein wirklich wilder und interessanter Austausch.

Kunstnürnberg: Warum habt ihr Twitter und nicht das beim jungen Publikum beliebte Instagram gewählt?

Amely Deiss: Auf Instagram sind wir natürlich auch. Bei Twitter zählt aber einfach das Wort ein bisschen mehr. Klar sind wir auch eine visuelle Einrichtung, aber um seine Meinung zu verbreiten und auch Eindrücke aus der Ausstellung zu äußern, wäre es vielleicht auf die Dauer etwas redundant, wenn die Leute immer nur Fotos rumschicken würden. Das Persönliche soll nochmal mittragen. Das geht gut über das geschriebene Wort. Bei dem Tweet-Up vor Kurzem haben Ina Neddermayer und Milena Mercer die Veranstaltung so gut und begeistert verbreitet und beworben, dass es so voll war und so viel getwittert wurde bei der Führung, dass wir unter den Trending Topic  auf Twitter waren. Vor Bushido! (lacht) Da sieht man, es ist zwar manchmal harte Arbeit, aber am Ende merkt man, dass man wieder ein paar neue Leute erreicht und begeistert hat, und das ist eine wirklich schöne Belohnung für uns alle im Team.

Kunstnürnberg: Das Kunstpalais Erlangen 2016. Welche Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das Kunstpalais dieses Jahr?

Amely Deiss: Es laufen bereits die beiden ersten Ausstellungen, noch bis zum Sonntag, dem 3.4.. Wir haben dieses Jahr ein besonders volles Jahr, und das deshalb, weil wir zum ersten Mal das Haus auf eine besondere Weise nutzen. Also die besondere Architektur des Hauses so einsetzen, dass wir die Etagen voneinander trennen und so zwei separate  Ausstellungen zur gleichen Zeit zeigen. Die Themen sind mit Absicht so gewählt, dass die Ausstellungen inhaltlich nicht wirklich miteinander zu tun haben. Sie existieren ganz unabhängig voneinander, und ergänzen sich dadurch besonders gut

Christian Werner "o.T. (aus der Serie: Stillleben BRD)", 2014 C-Print // 80 x 120 cm // Courtesy the artist

Christian Werner „o.T. (aus der Serie: Stillleben BRD)“, 2014
C-Print // 80 x 120 cm // Courtesy the artist

Wir zeigen momentan den Fotografen Christian Werner mit der Serie „Stillleben BRD“ und den Maler Lars Teichmann, mit seinen großformatigen, wild gestischen Bildern, die sich auch oft auf die Kunstgeschichte beziehen  – und schon vielen Leuten ein großes und begeistertes Staunen entlockt haben.

Momentan sitzen wir am Feintuning für unsere nächste Gruppenausstellung, nämlich „Böse Clowns _reloaded“. Die Ausstellung ist eine recht stark veränderte Übernahme der Ausstellung „Böse Clowns“, die 2014/2015 von Inke Arns für den Hartware MedienKunstVerein Dortmund kuratiert  wurde. Wir haben die Grundkonzeption und viele künstlerische Entdeckungen aus Dortmund übernommen, die Ausrichtung ein bisschen verändert und einige neue Künstler dazueingeladen. Auch für den, der die Ausstellung in Dortmund schon gesehen hat, wird es bei uns noch ganz schön spannend – und für die anderen sowieso! Ja, da wird es im Kunstpalais sehr voll, lustig, bunt und sehr sehr böse. Man darf auch ein bisschen Angst haben, weil natürlich das Thema Clown bei vielen das Albtraumthema schlechthin ist. Ich hab das neulich auch wieder gemerkt, als ich mit unserem Grafiker geredet habe. Er hat besorgt gefragt, ob wir denn das Plakat so denn wirklich in der Stadt aufhängen dürfen. Da sagte ich „na ja, ist ja nur ein lachender Clown.“ Und er so „naja gut, wahrscheinlich hast Du recht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich Clowns schon immer so schrecklich fand. Schon als Kind“(lacht)

Bei diesem Thema gibt es ganz viele Facetten. Eben diese Vermischung von Kindheit und Urängsten, von Buntem und Düsterem. Dann d Künstler, die sich ja oft als Clowns fühlen, oftmals auch als böse Clowns, wie so Trickster-Figuren, die sich fröhlich lachend in ein anderes System einschleichen, um dann dort ihre Wahrheiten zu erzählen. Und der politische Aktivismus ist auch ein großes, wichtiges Thema.

Marion Auburtin Clown Malefique (aus der Serie La Nuit des Masques), 2014 Öl auf Papier, 40 x 50 cm, Courtesy the artist

Marion Auburtin Clown Malefique (aus der Serie La Nuit des Masques), 2014
Öl auf Papier, 40 x 50 cm, Courtesy the artist

Kunstnürnberg: Welche Künstler sind dabei?

Amely Deiss: Die Fotografen Aura Rosenberg, Erwin Olaf, Cindy Sherman (die ja übrigens hier in Erlangen ihre erste deutsche Einzelausstellung hatte, in den achziger Jahren), dann der Maler und Bildhauer Uwe Henneken und der Schweizer Installationskünstler Beni Bischof,  die Chapman Brüder , Roee Rosen, Marion Auburtin, die auch für das Covermotiv verantwortlich ist, ein Selbstporträt mit Clown-Maske. Abner Preis, ein Künstler aus den Niederlanden, macht vor Ort ein neues Video für die Ausstellung. Splatter! Und die Bildhauerin Birgit Dieker hat eine spektakuläre neue Skulptur gemacht, eine hängende Harlekin-Spinne, aus unzähligen Lagen Stoff. Claus Richter, ein Kölner Künstler, den wird  man im Stadtraum sehen und erkennen…Es kommt aber auch Krusty der Clown von The Simpsons in der Ausstellung vor,Anonymous mit der Guy Fawkes Maske, Pennywise und Pussy Riot. Natürlich auch der Joker, der ein wichtiger und interessanter böser Clown ist. Dem werden wir anlässlich des Erlanger Comicsalons eine eigene Sektion widmen. , Die Künstlerliste ist lang, umfasst dieses Mal gut dreißig Künstler und Figuren. Die Ausstellung beginnt am 23. April 2016. Also da kann man sich auf einiges gefasst machen!

Beni Bischof: Die Poesie einer Amöbe am Himmel, 2010 Styropor, Acryl, Gouache, eingefärbter Gips, Unterhaltungsgerät 120 x 140 x 45 cm

Beni Bischof: Die Poesie einer Amöbe am Himmel, 2010
Styropor, Acryl, Gouache, eingefärbter Gips, Unterhaltungsgerät 120 x 140 x 45 cm

Die Ausstellung wird von einem vielseitigem Rahmenprogramm begleitet und auch im Rahmen des Comicsalons gezeigt, den ich ja hier zum ersten Mal miterleben werde. Da werden wir dann mit den „Bösen Clowns“ unseren Beitrag leisten. Ich bin gespannt, wie auch die Comicsalon-Besucher, die möglicherweise gar nicht die klassischen Museumsbesucher sind, darauf reagieren.

Im Sommer findet dann die nächste Doppelausstellung statt. Wir werden hier wieder jungen Künstlern Raum geben für ihre ersten institutionellen Einzelausstellungen. Das übrigens ist etwas, das wir auch in der Zukunft so beibehalten werden. Den Begriff Avantgarde verwendet man heute nicht mehr so, aber in diesem Fall kann man ihn ruhig benutzen.

Es kommen dann zum einen das dänisch-schweizerische Künstlerduo Ronnie Yarisal und Katja Kublitz, die der Kunstpalaisbesucher schon einmal in der „Save the Data“- Ausstellung sehen konnte.

Im Untergeschoss wird der Maschinenplastiker Johannes Vogl präsentiert, der aus gefundenen Materialien und aus rohen bzw. unbearbeiteten Materialien tolle Maschinen baut, die eine sehr poetische Wirkung haben. Kleine, feine Maschinen, die sich mit Alltagsphänomenen beschäftigen. Das wird sicher ganz spannend, auch mit einer Arbeit im Außenraum, die wir gerade schon organisieren.

Yarisal und Kublitz sind auch Bildhauer, aber eigentlich das direkte Gegenteil von Johannes Vogel. Ihre Werke sind immer perfekt und schillernd verarbeitet, hier fusionieren Trash und edle Materialen so, dass man erst auf den zweiten Blick wahrnimmt, dass da auch Quatsch wie Meisenknödel oder künstliche Fingernägel integriert sind, die aber so inszeniert werden wie eine Monstranz, oder Objekte aus einem ethnologischen Museum. Wunderschön auratisch – und wahnsinnig lustig! „Surfing through the web without getting wet“ – so heißt die Ausstellung. Das sagt ja schon viel!

Erwin Olaf: Paradise Portraits (Thomas), 2001 Lambda Print, 100 x 75 cm, Ed. 10 + 2 AP, Copyright: Erwin Olaf, Courtesy WAGNER + PARTNER

Erwin Olaf: Paradise Portraits (Thomas), 2001
Lambda Print, 100 x 75 cm, Ed. 10 + 2 AP, Copyright: Erwin Olaf, Courtesy WAGNER + PARTNER

Und im Herbst zeigen wir nochmal eine international besetzte Themenausstellung: „Dicker als Wasser – Konzepte des Familiären in der zeitgenössischen Kunst“. Wir wollen uns hier ansehen, wie das Konzept „Familie“, das natürlich schon immer viel diskutiert wurde und sich über die Jahrzehnte hin immer wieder verändert hat, in der öffentlichen Wahrnehmung in die Kunst hineinwirkt – und was man daraus auch wiederum für die Gesellschaft ableiten kann. Dabei sein werden dystopische, düstere und provozierende aber auch sehr schöne, positive und liebevolle Arbeiten von Künstlern wie Simon Fujiwara, Fadma Kaddouri, Verena Jaekel, Nina Katchadourian, Ragnar Kjartansson, Johannes Paul Raether und anderen. Fotografie, Video, Installation, Skulptur, Performance. Ich denke das wird wieder eine Ausstellung sein, die viel zum Diskutieren und Weitertragen anregt. Das spannende an Themenausstellungen dieser Art ist, dass es wie der Bereich „Familie“ einfach jeden betrifft. Ob man will oder nicht hat jeder Mensch eine Beziehung zur Familie, auch wenn sie darin besteht, dass man keine Beziehung hat. Bei den Themenausstellungen gibt es gerade beim Rahmenprogramm ganz vielseitige Anknüpfungspunkte, zum Beispiel auch für unsere „kleinen Meister“. Bei den „bösen Clowns“ könnte das ein bisschen schwieriger werden :-D.

Kunstnürnberg: Kann man wie letztes Jahr bei den Vernissagen eine große Party erwarten?

Amely Deiss: Ja! Eine große Party pro Jahr gibt es bei uns auf jeden Fall. Die erste haben wir  letztes Jahr im Rahmen der catcontent-Ausstellung veranstaltet, und diese Party hat wirklich alle unsere Erwartungen übertroffen.

Kunstnürnberg: Ja das war ziemlich krass; mit hunderten tanzwütigen Gästen und den Djs von Beat Thang. Wie in einem guten Club!

Amely Deiss: Danke! Dieses Jahr gibts dann die Party zur Eröffnung der Clowns-Ausstellung, weil es sich zu diesem Thema einfach gut anbietet. Ian Genocchi, unser Techniker ,ist schon Feuer und Flamme und hat die besten Ideen, was wir dann alles machen können. Also das sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen! Wir werden die Feiern auch beibehalten, nicht nur, weil es super funktioniert und uns einen Riesenspaß gemacht hat. Sondern vor allem haben wir damit viele Leute erreicht, die ansonsten vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen wären, einmal ins Kunstpalais zu kommen und die uns anschließend als Besucher treu geblieben sind.

Im Bezug auf die anderen Eröffnungen werden wir uns aber auch immer etwas besonders ausdenken. Also nur mit Rede, Danke und Tschüss wird’s bei uns nicht ablaufen.

Cacophony Society, 2014 HMKV im Dortmunder U, Ausstellung "Böse Clowns", 2014, Fotograf: Glenn Campbell

Cacophony Society, 2014
HMKV im Dortmunder U, Ausstellung „Böse Clowns“, 2014, Fotograf: Glenn Campbell

Kunstnürnberg: Hast du einen Ausstellungstipp im Jahr 2016 für meine Leser?

Amely Deiss: Also ich sage jetzt einfach mal drei. Eine ganz nahe, eine, wo man ein bisschen fahren muss und eine, die etwas weiter weg ist.

Ich freue mich wieder sehr auf die Akademieausstellung in Nürnberg, weil ich da auch schon letztes Jahr so großartige Sachen gesehen habe. Und das will ich wirklich auch jedem Kunstinteressierten ans Herz legen, sich das anzuschauen. Man kann da Künstler ganz früh sehen, die vielleicht später groß rauskommen. Man kann also von Anfang an dabei sein und sich ohne Vorsortierung ein eigenes Bild machen, ohne dass schon ein Kurator eingegriffen und ausgewählt hat. Dann machen meine ehemaligen Kollegen in Ingolstadt im Herbst eine Ausstellung über das „Logo“ in der Kunst – ein wirklich vielseitiges Thema! Das Logo des Museums für konkrete Kunst ist ja auch von einem Künstler gemacht worden, Anton Stankowski, der auch viel im Design gearbeitet hat. Er hat zum Beispiel das Deutsche-Bank-Logo entworfen. In dieser Ausstellung geht es um die Verbindung von Kunst und Design und um viele, von denen man vielleicht nicht wusste, dass sie auch künstlerisch gearbeitet haben oder umgekehrt. Außerdem geht es um die Verarbeitung des Themas Logo und Branding in der bildenden Kunst. Die Ausstellung wird von Simone Schimpf, meiner ehemaligen Chefin, und meiner Nachfolgerin, Theres Rohde kuratiert, und ich freue mich schon sehr darauf.Als ich das gehört habe, dachte ich mir,dass sie sich da Kunst und Design bestimmt wieder auf sehr unterhaltsame Weise nähern lassen – und  dass das Museum für Konkrete Kunst damit sicher auch wieder die Aufmerksamkeit auf sich zieht, die es verdient!

Ausstellungsansicht "Lars Teichmann. Aura" Foto: Erich Malter

Ausstellungsansicht „Lars Teichmann. Aura“
Foto: Erich Malter

Und im Museum Tinguely in Basel gibt es den zweiten Teil einer Ausstellungsreihe, die ich genial finde, weil sie meine Liebe zum sinnlichen Moment in der Kunst total befriedigt. Die widmen sich in fünf Ausstellungen den menschlichen Sinnen. Man denkt ja Museum ist immer nur gucken. Aber in die erste Ausstellung „Belle Haleine“ ging es um den Duft in der Kunst bzw. nicht nur Duft, denn es roch nicht nur angenehm 🙂 Und dieses Jahr geht es um den Tastsinn in der Kunst. „Prière de Toucher!“

Kunstnürnberg: Vielen Dank für das interessante Interview!

Amely Deiss: Und ich danke Dir fürs Vorbeikommen – und wünsche allen viel Spaß beim Lesen!

Besucherinformationen zum Kunstpalais Erlangen

  • Adresse: Kunstpalais, Palais Stutterheim, Marktplatz 1, 91054 Erlangen
  • Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr, Mittwoch 10 – 20 Uh
  • Eintritt: 4 Euro, ermäßigt 2 Euro

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