Amely Deiss, die neue Leiterin des Kunstpalais Erlangen berichtet im Interview mit Kunstnürnberg über ihren neuen Arbeitsplatz und ihre erste Ausstellung „Save the data“ im Herbst 2015.
Amely Deiss, die neue Leiterin des Kunstpalais Erlangen, exklusiv im Kunstnürnberg Interview
Kunstnürnberg: Anfang Februar 2015 haben Sie Claudia Emmert als neue Leiterin des Kunstpalais Erlangen abgelöst. Wie finden Sie Ihren neuen Arbeitsplatz? Haben Sie sich schon eingelebt?
Amely Deiss: Ja, ich finde meinen neuen Arbeitsplatz natürlich großartig (lacht). Ich bin ganz begeistert und habe mich wirklich gut eingelebt, muss ich sagen. Ich hatte das Glück, dass ich eine tolle Ausstellung gleich hingestellt bekommen habe, von der Kollegin Sarah Lampe, die die Halil Altindere Ausstellung kuratiert hat. Die nächste Ausstellung macht Ina Neddermeyer. Also ich habe insgesamt ein Programm bekommen, für das ich selber in jede Ausstellung ins Kunstpalais gefahren wäre und es ist natürlich umso schöner, hier direkt zu arbeiten und die Sachen auch schon mitzubetreuen und auf neue Ausstellungen hinzuarbeiten.
Kunstnürnberg: Wie groß ist das Team des Kunstpalais Erlangen?
Amely Deiss: Wir haben eine Kuratorin für die Sammlung, eine Kunstvermittlerin, eine wissenschaftliche Volontärin, ein Sekretariat oder Geschäftszimmer, unseren Techniker, dazu immer jemanden, der sein freiwilliges soziales Jahr hier macht, und es gibt immer wieder Praktikanten, die hauptsächlich von der Uni Erlangen kommen.
Die Leute, die hier ihr freiwilliges soziales oder kulturelles Jahr machen ziehen auch gerne von weiter her nach Erlangen.
Kunstnürnberg: Welche Aufgaben habe die FSJler im Kunstpalais?
Amely Deiss: Die Aufgaben liegen eigentlich in allen Bereichen. Sie haben bei uns eine wichtige Position, weil sie an allen Projekten teilhaben. Das ist vor allem inhaltliche Arbeit, aber vieles liegt auch im technischen und organisatorischen Bereich. Z.B. Arbeiten wie das ein- und auspacken beim Auf- und Abbau. Unsere aktuelle FSJlerin Franziska Soldner hat jetzt den Kunstklub Artyschock ins Leben gerufen – und das wurde dann schnell zu einem gemeinsamen Projekt hier im Team.
Kunstnürnberg: Um was geht es beim neuen Kunstklub Artyschock?
Amely Deiss: Das ist ein Club für junge Leute, wobei wir das Alter der Mitglieder nicht fix definiert haben. Aber es richtet sich grob an Menschen zwischen 18 und 35 Jahren, die Hintergründe zum Kunstpalais bekommen wollen sowie zu verschiedenen Veranstaltungen und Events fahren: Sowohl bei uns, bei Previews, wo sie als Allererste die Ausstellung sehen können, als auch bei Ausflügen zu unterschiedlichen Kunstorten.
Kunstnürnberg: Also im Prinzip wie ein junger Freundeskreis des Kunstpalais Erlangen?
Amely Deiss: Ja genau. Nur mit dem Unterschied, dass wir den Kunstclub ins Leben rufen. Ein Freundeskreis muss sich ja selber gründen. Wir machen das gerade als Angebot. Die Eröffnung der #catcontent Ausstellung wird dann gleich eine Party sein, die vom Kunstklub präsentiert wird.
Kunstnürnberg: Achsoo. Ja, das ist natürlich eine Superinfo.
Amely Deiss: Ja unbedingt. Es freut uns sehr, wenn Sie quasi en passent dazu einladen (lacht).
Kunstnürnberg: Wie unterscheidet sich das Kunstpalais Erlangen vom MKK (Museum für Konkrete Kunst) in Ingolstadt, Ihrer letzten Station bevor sie nach Erlangen kamen?
Amely Deiss: Ich würde sagen in manchen Bereichen unterscheiden sich die beiden Museen ganz elementar, in anderen Bereichen eigentlich wenig. Der größte Unterschied ist natürlich, dass das Museum für Konkrete Kunst, wie der Name schon sagt, eine thematische Einschränkung hat. Es war wirklich so, dass man einfach mit dem Programm des Hauses festgelegt war auf Konkrete Kunst, konstruktive, ungegenständliche, nicht narrative Kunst, je nachdem wie man es definieren will. Wir haben das dann auch immer recht stark ausgeweitet, aber insgesamt ist klar, eine Ausstellung wie Halil Altindere hätte man da nicht machen können. Andererseits ist es wiederum recht vergleichbar, weil das Kunstpalais Erlangen ein Haus in einer ähnlich großen Stadt wie Ingolstadt ist und auch ein städtischen Museum, eine Städtische Galerie ist. So dass es da schon viele Strukturen gibt, viele Abläufe, die mir sehr vertraut sind.
Kunstnürnberg: In Ingolstadt lag der Schwerpunkt auf Konkreter Kunst. Werden Sie auch in Erlangen Konkrete Kunst zeigen?
Amely Deiss: So würde ich das auf jeden Fall nicht sagen. Mit Sicherheit kommt ungegenständliche Kunst auch immer mal wieder vor – nur wohl eher nicht mit diesem Etikett.
Kunstnürnberg: Gibt das die Sammlung überhaupt her?
Amely Deiss: Ja! Die Sammlung hier ist wirklich toll und ziemlich umfangreich und da sind auch die ganzen Großen der sechziger und siebziger Jahre, als es noch wirklich konkrete Kunst hieß, verteten – heutzutage gibt es ja viele, die ihre Kunst gar nicht mehr so nennen, aber noch so arbeiten. Da gibt es eine große Bandbreite in der Sammlung und bei den Künstler, die jetzt ausgewählt werden für Einzelausstellungen oder Themenausstellungen. Es kann durchaus immer wieder vorkommen, dass da einer dabei ist, der in das Museum für Konkrete Kunst gepasst hätte. Nur ist dieser Begriff mir persönlich zu einschränkend. Er wirkt von vorneherein zu hermetisch. Das war etwas, was ich auch im Museum für Konkrete Kunst immer ein bisschen kritisiert habe. Es ist so eine großartige Kunst mit einer riesigen Bandbreite. Mit dem Begriff konkret, der auch etwas historisch ist, macht man vielen Leuten einfach Angst – und diese Angst muss man ihnen dann auch immer erst wieder nehmen. Gerade die zeitgenössischen Künstler, die ungegenständlich arbeiten und sich selber nicht als konkrete Künstler betrachten, die würde ich dann hier im Kunstpalais Erlangen auch nicht in diese Schublade stecken wollen.
Kunstnürnberg: Ihre erste Ausstellung „Save the data!“ eröffnet am 26. September und widmet sich dem Thema MP3. Welches Konzept verfolgen Sie und welche KünstlerInnen werden präsentiert?
Amely Deiss: Das Thema „MP3“ ist hierbei sozusagen der Aufhänger, weil ja hier in Erlangen das MP3-Format erfunden worden ist. Dieser Termin jährt sich gerade in mehrfacher Hinsicht. Seit zwanzig Jahren heißt es MP3 und nächstes Jahr sind es 30 Jahre Patentanmeldung. Also so ganz genau kann man den Geburtstermin nicht festlegen. Ich fand spannend, dass das MP3-Format hier in Erlangen entstanden ist und gleichzeitig das Thema Speichermedien eine große Rolle in der zeitgenössische Kunst spielt. Zum einen sind das einfach Speichermedien, die bereits vergangen und vergessen sind und auch vergessen werden wie die VHS-Kassette, die Musikkassette, die CD. Das alles sind Sachen, die wir noch kennen, aber wenn Kinder in die Ausstellung gehen, muss man dies zum Teil erklären: „Was ist den diese Videokassette überhaupt?“ Je mehr das in Vergessenheit gerät und einen Nostalgie-Aspekt bekommt, desto lieber nehmen sich auch Künstler in ihren Installationen, in ihren Werken des Themas an.
So gibt es eine große Bandbreite von Künstlern, die hierzu Installationen bauen und Wandarbeiten machen sowie das Ganze in Videoarbeiten verwerten – und ich fand es einfach spannend, das Thema in einer Ausstellung zu untersuchen. Es wird jedoch nicht nur eine rückwärts gewandte Ausstellung sein, sondern es geht auch um das Aktuelle. Das MP3-Format hat den Aspekt des Speicherns so sehr vorangebracht, dass er im Zuge dessen auch immer unsichtbarer wird. Sowohl die Speichermedien werden weniger sichtbar, als auch die ganzen Objekte, wie Abspielgeräte, spielen weniger eine Rolle. Trotzdem ist aber noch alles vorhanden. So gibt es zum Beispiel einen Künstler, Tino Arnall, der ein großes, auf drei Kanälen produziertes Video zeigt. Es besteht aus einer Kamerafahrt durch die Internetspeicher, die „Internetmaschinen“, die ganzen riesigen Speicher. Das erinnert an die Frühzeit des Computer, als ein ganz einfacher Computer einfach riesige Dimensionen hatte. Wir möchten, „Grosse Fatigue“ von Camille Henrot zeigen, eine Arbeit, in der aus den Browserfenstern des Internets sozusagen eine fluktuierende, sinnliche Collage entsteht. Das Browserfenster ist ja eine Ikone der Jetztzeit, mit der jeder tagtäglich arbeitet. Dann wird aber auch der niederländische Künstler Joep van Liefland eine große Installation aus Videokassetten bauen, wo man wahrscheinlich wieder in die Ästhetik der achtziger Jahre abtauchen kann. Es wird somit auch eine große Zeitreise werden und bestimmt auch eine spannende Sache gerade generationsübergreifend in diese Ausstellung zu gehen und sich gegenseitig dann zu erklären, was denn jetzt hier was ist und was wie funktioniert hat. Und das an Beispielen großer, zeitgenössischer Kunst.
Kunstnürnberg: Sie haben bereits drei Künstler genannt. Welche Künstler nehmen noch an der Ausstellung teil?
Amely Deiss: Gregor Hildebrandt, ein deutscher Künstler, der sich viel mit dem Kassettenband beschäftig. Von ihm werden wir auch eine große installative Arbeit zeigen, die zum Beispiel auch monochrome Wandarbeiten integriert, die einfach nur aus Kassettenband gemacht sind. Übereinandergelegtes schwarzes Kassettenband. Bei Hildebrandt ist auch immer der Umstand präsent, dass auf diesen Bändern etwas gespeichert ist. Man kann es sich nur nicht mehr anhören. Aber irgendwie transportiert sich der Inhalt und meistens weist der Titel auf die Künstler oder Songs hin, die auf diesen Bändern gespeichert sind. Dann haben wir Florian Meisenberg mit dabei. Da geht es dann wieder um das Internet und unterschiedlichste Arten der Partizipation. Die russische Fotografin Viktoria Binschtok mit ihrer rätselhaften „Cluster“-Serie.
Das schweizerisch-dänisches Künstlerduo Ronnie Jarisal und Katja Kublitz – die die gute alte CD in ihren Arbeiten immer wieder integrieren, mit edlen Materialien kombinieren und damit richtiggehend sakral wirkende Objekte schaffen. Auch wieder eine ganz andere Stimmung.
Es sind noch nicht alle Künstler bestätigt, aber wir hoffen zum Beispiel gerade, dass auch Rosa Barba mit dabei sein wird, die sich mit Film und Filmrollen beschäftigt. Bei ihr geht es aber auch immer darum, dass auf den Filmrollen nichts mehr zu sehen ist. Die ganzen Projektoren laufen noch und rattern, aber es wird eben kein Bild gezeigt. Wir hoffen, dass wir sie zur Teilnahme bewegen können – unter anderem auch da sie in Erlangen Theaterwissenschaften studiert hat (lacht). Das wäre natürlich schön, sie so wieder an ihren Studienort zurückholen zu können.
Sie sehen, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, aber es ist noch nicht die ganze Künstlerliste bestätigt. Es werden aber Arbeiten von maximal zwölf Künstler gezeigt werden, in jedem Fall sehr abwechslungsreich mit Skulpturen, Wandarbeiten, Fotografie und Installationen. Darunter sind auch Arbeiten, die sich während der Ausstellung und durch die Interaktion mit dem Internet ständig wandeln.
Kunstnürnberg: Wie lange braucht so eine Konzeption, bis sie steht?
Amely Deiss: Ja, das ist unterschiedlich. Also die Idee zu „Save the data!“ hatte ich schon bevor ich in den Dienst getreten bin, die hat sich im Vorfeld aus der Beschäftigung mit Erlangen entwickelt. Weil ich dann mit der Ausstellung hier starten wollte, bleibt dann aber plötzlich trotzdem nur knapp ein Jahr, um alles auf die Beine zu stellen. Es muss schon recht schnell gehen. Zum Glück hat man ja aber, passend zum Thema Speicher, auch selber einen großen Speicher im Kopf. Man guckt über Jahre immer Zeitschriften, Kunstmessen, etc. durch und wenn man sich einfach mal hinsetzt und seine Gedanken rattern lässt, dann fallen einem auch immer gute Künstler ein, die man in dem Kontext gerne zeigen würde. In Zusammenarbeit mit dem Team trägt man dann das Thema und die Ideen vor und natürlich hat jeder im Team auch nochmal etwas dazu beizutragen. Wenn man so darauf zurückgreifen kann, kann man die Konzeption auch in kurzer Zeit schaffen. Aber in der Regel nehmen viele sich schon zwei Jahre. Und das werden wir uns für zukünftige Ausstellungen auch nehmen. So sind wir bereits bei der Planung für 2017 und haben da schon großes vor, von dem wir aber noch nicht sprechen können. Wir sammeln und planen gerade fleißig.
Kunstnürnberg: Das wäre die nächste Frage gewesen. Sie müssen das nicht beantworten, wenn es noch geheim ist, aber vielleicht können Sie den Lesern von Kunstnürnberg trotzdem noch mitteilen, welche Ausstellungsprojekte Ihnen für die Zukunft in Erlangen allgemein vorschweben?
Amely Deiss: Die Taktung wird beibehalten, dass es einmal im Jahr eine Themenausstellungen gibt bzw. eine oder zwei Themenausstellungen. Weil das meine, und ich denke auch des Teams, Leidenschaft ist, zu einem Thema zu sammeln und große Zusammenhänge herzustellen. Es gibt natürlich weiterhin auch Einzelausstellungen aber in Zukunft wird immer mal wieder das Haus geteilt. Es wird dann zwei Ausstellungen gleichzeitig geben, weil ich denke, dass sich das hier anbietet. Das Haus lässt gut zu, dass man eine Ausstellung oben und eine unten macht. So kann man auch von einem Künstler auch mal nur eine einzige Werkserie ein bisschen konzentrierter zeigen. Es muss dann nicht, wie eine Retrospektive, ganz umfassend sein. Wenn ein Künstler gerade etwas Neues angefangen oder zu einem bestimmten Themenkomplex gearbeitet hat, dann kann man so etwas ganz gut und konzentriert zeigen. Unten und oben werden dann sicherlich auch mal recht gegensätzliche Sachen gezeigt werden. So kann ein Besucher beispielweise sagen, okay, eigentlich interessiert mich ja vor allem dieser Maler, aber die andere Ausstellung schau ich mir jetzt auch mal an. Und die zweite Ausstellung, die der Besucher möglicherweise gar nicht besucht hätte, ist dann plötzlich auch spannend und interessiert ihn doch. Vielleicht wäre der Besucher gar nicht gekommen, wenn man nur mit der ungegenständlichen Skulptur geworben hätte und nicht mit dem Maler. Ich denke da werden sich gute Synergien ergeben.
Und natürlich ist auch mit der Sammlung, die wir haben, immer zu punkten. Frau Neddermeyer, die Kuratorin, die für die Sammlung zuständig ist, hat bereits zwei Ausstellungen konzipiert, wo sie auf unterschiedliche Weise mit der Sammlung umgegangen ist. Das war einmal Re:collect letztes Jahr und jetzt die #catcontent Ausstellung, die ausgeht von Werken der Sammlung. Wir denken gerade auch darüber nach, wie das in den nächsten Jahren weitergehen soll. Aber die Sammlung soll immer wieder auf unterschiedliche Art vorkommen. Wir haben auch darüber nachgedacht, ausgehend von Werken, die wir in der Sammlung haben, eine Einzelausstellungen zu machen. Oder auch mal wieder eine Auswahl an Favoriten zu zeigen.
Kunstnürnberg: Wann wurde die Sammlung das letzte Mal gezeigt?
Amely Deiss: So wie ich das überblicke, gab es früher unter Fischer und Puyplat häufiger Überblicksausstellungen beispielsweise zu konstruktiver Kunst oder zu Konzeptkunst, die immer komplett mit Werken aus der Sammlung bestückt waren.
Ich könnte mir auch vorstellen zum Einstieg einmal so richtig aus dem Vollen der Sammlung zu schöpfen und aus jedem Bereich etwas zu nehmen, ohne thematische Einschränkung. Das ist spannend, da sind dann bestimmt auch viele individuelle Lieblingsbilder der Erlanger dabei. Das wäre auf jeden Fall ein Vorhaben, das mich reizt.
Kunstnürnberg: Ihnen ist wichtig, die Erlanger selber ins Kunstpalais zu locken und auch die kunstinteressierten Menschen der Region nach Erlangen zu bringen. Mit welchen Mitteln wollen Sie dies schaffen?
Amely Deiss: Zum einen interessieren mich die Belangen der Leute, die in einer Stadt leben. Was interessiert die Leute hier besonders? Auch historisch, auf was ist man hier vielleicht stolz oder was prägt den Erlanger? Natürlich gibt es den prototypischen Erlanger nicht, aber ich fand es immer schon reizvoll in Ingolstadt, da gab es historisch so spannende Dinge auf die man mit Ausstellungen gut hätte eingehen können, was aber im Museum für Konkrete Kunst nicht so richtig möglich war. Hier gibt es die Hugenotten, deren Tradition der Ledermanufaktur, die Medizin und die traditionsreiche Universität. Hier sind viele Themen, die mir auch bestimmt noch mehr auffallen werden und auf die man vielleicht inhaltlich auch Bezug nehmen kann. Das rein thematische ist aber nur der eine Aspekt. Insgesamt hoffe ich mit meinen Ausstellungen und mit den Ausstellungen, die wir hier gemeinsam als Team machen, sehr einladend und offen zu sein. Ich will immer vermeiden, dass Leute Angst haben in die Ausstellung zu gehen oder ins Museum zu gehen, weil sie denken, das verstehe ich ja sowieso nicht.
Das ist nämlich eine unsinnige Annahme, man muss nicht immer sofort alles verstehen. Und man versteht dann ja schon etwas, wenn man sich nur darauf einlässt. Ich will auch nicht behaupten, dass ich, bei jedem Werk sozusagen, das immer umfassend verstehe. Diese Art von Verstehen gibt es gar nicht. Das wissen wir als Kunsthistoriker aber der ganz normale Besucher denkt dann so „Mmmh, das sagt mir jetzt nichts.“ Von daher finde ich, muss man dann auch gerade mit Themen kommen, die mit jedem zu tun haben und jedermann leicht einen Zugang oder Einstieg bekommt.
Und dann haben wir natürlich auch vor, unterschiedliche Aktionen zu machen, unterschiedliche neue Programme ins Leben zu rufen. Kinder und Jugendliche sollen wieder mehr angesprochen werden. Das ist mir einfach wichtig, weil ich denke, wer schon früh damit anfängt ins Museum zu gehen und sich daran erfreut, der bleibt auch sein Leben lang Museumsbesucher. Das ist etwas, was ihn bereichert und ihm Spaß macht. Deshalb haben wir neue Workshops für Kinder ins Leben gerufen. Wir haben aber auch Workshops für Erwachsene ins Leben gerufen, wo sich die Erwachsenen nicht immer nur intellektuell betätigen müssen, sondern sie können auch mal etwas Praktisches probieren. Zum Beispiel gibt es im Zuge der #catcontent Ausstellung das Format „Wollen vor Können“. Hier kann man Kunst einfach selbst ausprobieren. Man soll sich schon vorher die Ausstellung anschauen, aber macht dann selber einen Linolschnitt und kann sich dann damit technisch ein bisschen ausprobieren. In meiner Laufbahn habe ich öfters gehört, wie Erwachsene gefragt haben
„Warum gibt es für Erwachsene keine Workshops, sondern immer nur für Kinder?“
Kunstnürnberg: Im Jahr 2006/2007 gab es bereits eine Kooperation mit der Universität Erlangen, deren Ergebnis der Ausstellungskatalog „100 Meisterwerke zeitgenössischer Druckgraphik: Aus der Städtische Galerie Erlangen“ (Amazon Link) war. Planen Sie Kooperationen mit dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Erlangen?
Amely Deiss: Das wird es bestimmt geben. Es gibt jetzt zwar noch keine konkreten Planungen aber es ist ein Ziel von uns allen, gerade auch die Erlanger Kunsthistoriker ein bisschen mehr zu kitzeln (lacht).
Kunstnürnberg: Da ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt gekommen, weil die Kunstgeschichte in Erlangen gerade eine neue Leitung, Christina Strunck, bekommen hat. Ich denke Sie wird frischen Wind nach Erlangen bringen.
Amely Deiss: Uns ist auch wichtig die Studentinnen und Studenten als Besucher zu gewinnen. Unser Ziel ist es, dass wirklich jeder, der in Erlangen Kunstgeschichte studiert, das Kunstpalais kennt, oder sich im Idealfall richtig mit dem Kunstpalais identifiziert, weil man hier ein Museum vor der Tür hat, was wirklich viel unterschiedliche Kunst, von regionaler über nationaler bis internationaler, in die Stadt holt. Da muss der Student hingehen und vielleicht ergibt sich die Möglichkeit mitzuarbeiten und etwas mitzugestalten.
Kunstnürnberg: Da zeitgenössische Kunst in Erlangen nicht unbedingt auf dem Leerplan steht, sind viele Studenten der Kunstgeschichte im zeitgenössischen Bereich ganz klar Laien, die ein Besuch des Kunstpalais gar nicht interessiert. So war das zumindest während meiner Studienzeit in Erlangen. Das Problem des nur „auf den Barock spezialisierten“ Kunsthistorikers gibt es überall. Ich denke aber, ein Kunsthistoriker sollte breit aufgestellt sein und zu jedem Bereich zumindest etwas sagen können.
Ich denke, dass auch einige Nürnberger das Kunstpalais nicht kennen. Es scheint für manche eine große Aktion zu sein nach Erlangen zu fahren.
Amely Deiss: Wir arbeiten auf jeden Fall an verschiedenen Strategien, um neue Besucher zu motivieren, das Kunstpalais zu besuchen. Das eine wäre zum Beispiel diese Party zur Eröffnung der Ausstellung #catconnect am 17. April 2015, wo wir sagen, wir machen die Eröffnung nicht hermetisch mit Reden, Ausstellung anschauen und dann gehen alle wieder heim. Wir würden die Leute gerne auch ein bisschen länger im Haus behalten und haben deshalb DJs engagiert. Es wird passend zum Titel #catcontent, in verschiedener Hinsicht auch um Tiere gehen. Wir haben einen Foodtruck bestellt, der nur vegetarisches Essen anbietet, weil wir ja bei einer Tierausstellung keine Tiere essen können.
Kunstnürnberg: Diese Idee ist etwas besonderes in der Region. Kunstparties und Kunstevents finde ich immer spannend!
Amely Deiss: Es muss einfach eine Schwelle überwunden werden. Wer erstmal zur Party kommt, der geht dann auch in die Ausstellung. Vielleicht ist eine einzige Arbeit dabei, die man dann ganz schön, ganz hässlich, ganz interessant, oder was auch immer findet und dann ist der Bann schon gebrochen und man sagt, da sind ja auch nette Leute, da kommen nette Leute hin und da arbeiten nette Leute – da kann man ruhig noch einmal hingehen.
Kunstnürnberg: Klingt sehr gut. Ich werde auf jeden Fall vorbeischauen! Vielen Dank für das Interview.
Amely Deiss: Ich bedanke mich ebenfalls.
Das Interview führte Alexander Racz am 25. März 2015 im Kunstpalais Erlangen. Die Abbildungen aus der #catcontent Ausstellung.
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Im Artikel „Das Kunstpalais Erlangen“ können Sie mehr über die Geschichte des Hauses erfahren.
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