Die Modulgalerie ist ein Projekt der Künstler Kasia Prusik-Lutz und Olaf Prusik-Lutz. Die Galerie befindet sich in der Passage der Lorenzkirche, die zur U-Bahn-Station U1 führt und ist rund um die Uhr geöffnet.
Um sie zu besuchen, müssen Sie eine 1-Euro-Münze mitbringen, die Sie nach dem Besuch der Ausstellung zurückbekommen. Das Projekt wurde im Rahmen des Symposion Urbanum 2021 realisiert.
Die Autoren des Projekts kuratieren Ausstellungen in der Galerie, zu denen sie sowohl renommierte Künstlerinnen und Künstler als auch solche einladen, die gerade erst ihre Karriere beginnen.
Die Vernissagen finden alle vier Monate statt.
DAS KONZEPT
Die Idee entstand aus der Recherche einen Ort in der Stadt zu finden, der auf natürliche Weise in eine Interaktion mit der Kunst einbezieht. Alte und inzwischen nicht wahrgenommene Gepäckschränke boten so einen freundlichen Ort.
Einerseits befinden sie sich im öffentlichen Raum und sind für jeden Fußgänger, der durch die Stadt geht, leicht zu erreichen. Andererseits boten sie einen Raum, der so geschlossen ist, dass die Kunst dort keinen Schäden durch wechselnde Witterungsbedingungen oder zufälligen Vandalismus ausgesetzt ist, und dabei nicht monumentale Formen annehmen muss.
Die 48 Fächer bilden einen zusammenhängenden Raum, der aus Modulen besteht. Jedes Modul ist unabhängig und kann als geschlossene Ausstellungsfläche funktionieren oder Konstellationen mit anderen Modulen bilden und als Teil eines größeren 48-teiligen Puzzles dienen.
Das Ausstellungskonzept basiert auf diesem modularen Phänomen. Die Galerie ist ein Raum, in dem der einzelne Künstler, das Kollektiv oder die Gruppe in Beziehung treten können.
Die Ausstellung kann linear oder polyphon gelesen werden oder abwegig die Erwartungen des Betrachters dekonstruieren.
Weitere Informationen:
ERÖFFNUNGSREDE VON SUSANN SCHOLL
FÜR DIE MODULGALERIE – KUNST IM FACH VON KASIA UND OLAF PRUSIK-LUTZ, 29.10.2021
Die Installation der Modulgalerie ist eingebettet in das Projekt Symposion Urbanum Nürnberg, das anlässlich des 50. Jubiläums das Bildhauertreffen von 1971 würdigt. Auch Kasia und Olaf Prusik-Lutz waren fast von Anfang an in das Projekt involviert; in den Vorbereitungen für die Ausstellung „In Situ? Über Kunst im öffentlichen Raum“ haben wir sie gebeten, für die Kunsthalle eine Wandzeichnung anzufertigen, die die Werke von 1971 in einer konzentrierten Komposition vereint.
Wenn man die heute noch erhaltenen 26 Werke von 1971 mit der neu entstandenen Modulgalerie vergleicht, sieht man sehr anschaulich, wie sich die Kunst, die für den öffentlichen Raum bestimmt ist, in den letzten 50 Jahren entwickelt hat. Anhand von drei Aspekten möchte ich diese Entwicklung von den ersten Gehversuchen der zeitgenössischen Kunst im Außenraum im Vergleich zu heute aufzeigen:
1.) Die meisten Arbeiten von 1971 wären auch in einem Museumsraum gut aufgehoben gewesen; viele Künstler haben damals zunächst einmal allein die Dimensionen dem öffentlichen Raum angepasst. Sehr schön ist dies bei Ansgar Nierhoff oder Hiromi Akiyama zu beobachten; zwei Künstler, die damals zeitgleich ganz ähnliche Werke für den Innenraum – für den Ausstellungsraum – konzipiert haben.
Dagegen nimmt die Modulgalerie von einem Ort Besitz beziehungsweise funktioniert einen Ort um, der seit fast vierzig Jahren zu einem Teil der Stadt gehört. Die Installation bezieht die ursprüngliche Funktionsweise der Gepäckfächer mit ein und funktioniert in seiner Idee deshalb genau hier, an diesem Ort. Sie werden feststellen, dass der Retro-Charme, den die ehemaligen Gepäckfächer ausstrahlen (bei dem auch manchmal etwas hakt und klemmt), ein besonderes Erlebnis darstellen. Das Werk nimmt diese Eigenschaften zur Grundlage: als ein vertrautes Element im öffentlichen Raum beinhaltet es dennoch etwas überraschend Neues.
2.) Damit komme ich zum zweiten Punkt im Vergleich mit den Symposions-Werken: nämlich zu den Orten, an denen die Skulpturen 1971 installiert wurden. Neben zentralen Plätzen in der Innenstadt waren diese zu einem großen Teil Neubauten zugeordnet, die durch die Kunst geschmückt und aufgewertet werden sollten und damit eine klassische Kunst-am-Bau-Aufgabe erfüllten. Die nüchterne Nachkriegs-Architektur sollte mit der Kunst um ein sinnliches Element bereichert werden. Als Beispiele lassen sich die – heute nicht mehr existierende – Skulptur von Raffael Benazzi im Plobenhof heranziehen oder die Werke der japanischen Bildhauergruppe in Langwasser.
An welchem Ort befinden wir uns hier? Die Passage, die zur U-Bahn führt oder als Durchgang genutzt wird, wird zwar täglich von unzähligen Passanten durchquert, lädt aber nicht zum Verweilen ein. Sie ist eher ein Nebenschauplatz als ein prominenter Eyecatcher der Stadt. Ähnlich wie 1971 ist auch hier eine Aufwertung durch die Kunst gewünscht, aber nun von einem Ort, der bereits eine Geschichte und Funktion im städtischen Raum innehat. Und so sind es hier auch nicht die Bauträger, die das Kunstwerk begleitend in Auftrag gegeben haben, sondern Kasia und Olaf selbst traten mit der Idee an die Stadt heran, genau an diesem Ort ein Kunstprojekt zu realisieren. Ich bin ganz sicher, dass die Modulgalerie diesen ungastlichen Ort positiv umwerten wird und um einen Ausstellungsraum erweitert, der wie alle Kunstwerke im öffentlichen Raum sowohl kostenfrei als auch Tag und Nacht zur Verfügung steht.
3.) Bereits vor 50 Jahren war der Ansatz, mit der Kunst in den öffentlichen Raum zu gehen, von einem starken Demokratiegedanken getragen. Man wollte Kunst für jede Bevölkerungsschicht zugänglich machen. Eine tatsächliche Teilhabe an den Kunstwerken war allerdings kaum gegeben, weder bei der Durchführung des Symposions noch war sie in den Konzepten der Skulpturen selbst angelegt. Lediglich die kinetischen und modularen Plastiken von Günter Tollmann oder Nicola Carrino forderten von den Betrachterinnen und 3
Betrachtern (in beiden Fällen von den Schulkindern, für deren Schulhofgelände die Plastiken errichtet worden waren) ein aktives Mitmachen – verhielten sich dabei aber noch recht sperrig: sie waren zu schwer, zu scharfkantig oder schwer erreichbar.
Die Modulgalerie funktioniert dagegen nur durch die Teilnahme der Passanten; sie bezieht diese sogar aktiv in das Konzept mit ein: Die 48 Fächer müssen mittels einer 1-Euro-Münze bewusst geöffnet werden; sodann hat jede Betrachterin und jeder Betrachter die Möglichkeit, sein eigenes Ausstellungserlebnis zu gestalten, Fächer entweder simultan zu öffnen oder nacheinander zu einem Ausstellungsparcour aufzureihen. Kasia und Olaf beziehen dieses Moment in die Präsentation mit ein: Wie in vielen ihrer Werke fügen sie auch hier den Darstellungen ein narratives Element ein, so dass sich im Nebeneinander oder Nacheinander inhaltliche und assoziative Bezüge ergeben können. Oder es lassen sich wie bei einem Memory-Spiel verwandte Motive ganz zufällig entdecken. Die einzelnen Fächer funktionieren dabei wie kleine Bühnen. Sie zeigen einen frontal ausgerichteten Raum, der – wie im Theater – ausgeleuchtet ist und in denen sich die Geschichten entfalten können.
Kasia und Olaf haben die Modulgalerie nicht nur konzeptuell entwickelt – sie haben sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst in die Galerieräume hineinbegeben. In zwei Zeichnungen, die Kasia und Olaf in hockender Pose zeigen, haben sie sich in die kleinen Ausstellungsräume regelrecht hineingezwängt. Wobei unklar bleibt, ob die zusammengekauerte Körperhaltung aufgrund des geringen Raums eingenommen wird oder eine Gemütsstimmung wiederspiegelt. In den anderen Fächern sind sie – Alice im Wunderland gleich – im Miniaturformat in die Räume eingezogen und tauchen wiederholt in unterschiedlichen Posen in den Fächern auf. Was hier gleichsam als Graffito à la Banksy erscheint, ist ein von dem Künstlerpaar bewusst inszeniertes Spiel mit Blickrichtungen, Größen und Proportionen. Wenn die kleine Kasia-Figur ein Gemälde mit einem Motiv betrachtet, das wiederum Kasia zeigt, so eröffnet dieser Verdoppelungseffekt ein faszinierendes Spiel mit den verschiedenen Realitäten. Es wird zu einer Reflektion über Bild und Abbild, über Original und Reproduktion, über zweidimensionale Bildfläche und dreidimensionalen Bildraum.
In der Themenwelt von Alltäglichem und Absurdem entspinnt sich ein inhaltlicher roter Faden, der das eigene Künstlertum zur Grundlage nimmt. Kasia und Olaf stellen in den 48 Fächern ihr bildnerisches Schaffen aus, und thematisieren gleichzeitig das Ausstellen als solches. Leinwände stehen im Raum oder hängen an Wänden und inszenieren klassische Ausstellungssituationen. Mobiliar und Objekte, wie der Kaktus im Topf oder ein einzelnes, hoch aufgerichtetes Wattestäbchen, lassen die Frage aufkommen, ob diese selbst Kunstwerke sind oder eher als Modelle für die Künstlerin und den Künstler dienen. So oder so wohnt den objekthaften Dingen häufig ein Eigenleben inne, das den Betrachter*innen mit Leichtigkeit und Humor entgegentritt. Das Künstlerpaar zeigt sich hier beim Kunstbetrachten und wird gleichzeitig wiederum von uns betrachtet, sodass wir in dieser Bild-im-Bild-Situation und auch durch die Größenverhältnisse schon fast die Rolle der omnipräsenten Beobachter*innen einnehmen, deren Blicken die Künstler nicht entkommen können.
Damit ist es eine sehr persönliche Schau geworden, mit der Kasia und Olaf Prusik-Lutz die Modulgalerie als neues Werk im öffentlichen Raum in Nürnberg starten und ich wünsche Ihnen nun ebenso viel Freude, die Bilder hinter den Schließfächern zu entdecken, wie ich sie selbst hatte.
Text: Susann Scholl