„Die Unabhängigen Lesereihen – Gastspiele“ Die Kurator*innen der sechsteiligen Nürnberger Lesereihe Lara Sielmann und Tillmann Severin im Gespräch 

Lara Sielmann und Tillmann Severin
Tillmann Severin und Lara Sielmann nach einer Veranstaltung der Unabhängigen Lesereihe "Kabeljau&Dorsch“

Die Unabhängigen Lesereihen, Verein und Literatur-Initiative, möchten für mehr Sichtbarkeit von Lesungen, Autor*innen und Literaturvermittlung eintreten.

Unter dem Label „Die Unabhängigen Lesereihen – Gastspiele“ veranstalten Tillmann Severin, Autor, und Lara Sielmann, freie Journalistin und Kulturschaffende, als Vertreter*innen des Vereins der Unabhängigen Lesereihen nun sechs Gastlesungen aus vier Städten an verschiedenen Orten in Nürnberg.

Am 6.12. um 19.30 Uhr ist die Kölner Lesereihe „Land in Sicht“ im Mops von Gostenhof  zu Gast.

Lara Sielmann und Tillmann Severin
Tillmann Severin und Lara Sielmann nach einer Veranstaltung der Unabhängigen Lesereihe “Kabeljau&Dorsch“

Kunstnürnberg hat Lara und Tillmann zum Gespräch getroffen.

KNBG: Unter dem Label „Unabhängige Lesereihen“ vereinen sich verschiedene Lesereihen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Wann und von wem wurde die Initiative ins Leben gerufen und was zeichnet sie aus?

TS: In vielen deutsprachigen Städten gibt es keine Orte, an denen sich die unabhängige Literturszene trifft. In München war das genauso, bis sich die Lesereihe meine drei lyrischen ichs gegründet hat und Stück für Stück zu einem Treffpunkt und Zentrum geworden ist. 2015 hatten Heike Fröhlich und Tristan Marquardt, Organisator*innen von meine drei lyrischen ichs die Idee, möglichst viele Veranstalter*innen an einen Tisch zu setzen. Plötzlich haben wir gemerkt, wie viele wir sind und was wir daraus machen können. Daraus hat sich die Initiative und schließlich der Verein entwickelt.

LS: Und das war meine Rettung, als ich 2014 nach Nürnberg kam, habe ich nämlich nichts vorgefunden, dass mich literarisch ansprach. Ebenso nichts, was ich als Szene erkennen konnte, so dass ich dann einen Blick nach München geworfen habe, und dann all diese Projekte und Menschen kennenglernt habe. Nachdem ich mich dann mit Tristan einmal traf, war ich sehr motiviert, auch in Nürnberg Literatur zu wagen – mehr als, dass es nicht angenommen werden würde, konnte ja nicht passieren (was dann immer noch mehr war, als der damalige Zustand).

KNBG: In eurem Konzept sprecht ihr von Literatur als sozialer Praxis. Sie ist “Auseinandersetzung und Verhandlungsraum für Gesellschaftliches und Politisches. Sie kann: überall passieren.” Darin ist eine Ausrichtung lesbar, die auf Niedrigschwelligkeit, auf Zugänglichkeit für alle abzielt. Auch geht es euch um das Generieren eines „Zufallspublikums“, um „Literatur ohne Aufwand“- was genau ist darunter zu verstehen?

LS: Lesereihen sind Orte, an denen Menschen zusammenkommen, um Literatur zu hören – aber auch, um zusammenzusein, zu sprechen, die Zeit zu teilen und Bier zu trinken. Literatur ist für uns erst mal kein Papier zwischen Buchdeckeln, sondern sie besteht aus Menschen, die sich mit Sprache, Geschichten und unserer Gegenwart auseinandersetzen und andere damit zum nachdenken bringen und einfach unterhalten.

TS: Diesen Aspekt wollen wir mit den Lesereihen stärken. Die Orte, die wir dafür wählen und die Art, wie wir die Orte gestalten, wollen alle einladen, die sich dafür interessieren – ob in der Schnapsbar, einem Club, einer Kneipe oder dem Kulturzentrum um die Ecke. Literatur eignet sich dafür besonders: Es reicht ein Mikrofon und jemand, die dahinter steht.

KNBG: Ihr beide habt nun die Unabhängigen Lesereihen nach Nürnberg gebracht und veranstaltet zwischen Oktober 2018 und August 2019 insgesamt sechs Gastlesungen, mit denen ihr alle zwei Monate unterschiedliche Orte bespielt. Damit gebt ihr freien Autor*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum eine Plattform. Was lässt sich über die inhaltliche Auswahl der Nürnberg-Gastspiele aber auch über die unterschiedlichen Leseorte sagen?

TS: Die inhaltliche Ausrichtung steht für unsere Arbeit: Nicht wir als Unabhägige Lesereihen laden Lesende ein, sondern wir geben 6 unserer Reihen einen Raum, um Lesende auf die Bühne zu bringen. Eingeladen wird also nicht zentral von einem Kuratorium, sondern bottom-up – also den Veranstalter*innen selbst und die haben eigene Konzepte und laden Autor*innen ein, auf die wir vielleicht gar nicht gekommen wären.

LS:  Ich bin natürlich besonders glücklich über all die tollen Orte, die eben mit machen, wie der Z-Bau, der Mops von Gostenhof, das Casablanca Kino, die Buchhandlung Jakob und das Heizhaus. Die sind erstmal komplett unterschiedlich, und laden als Gemeinsamkeit Menschen ein, ihre Freizeit dort zu verbringen – sei es aus Interesse, Neugierde oder auf ein Getränk. Und das knüpft direkt an unser Verständnis von Literatur an.

KNBG: Am 6.12. ab 19:30 Uhr ist der Mops von Gostenhof Gastort der Kölner Lesereihe Land in Sicht. Was wird an diesem Abend zu erleben sein?

TS: Eine tolle Lesereihe aus Köln, die mit Lea Sauer und Martin Piekar, eine Lyrikerin sowie einen Prosaautor präsentierten. Auch das ist typisch für die „Lesereihen“: Wir stellen verschiedene Textformen vor.

LS: Schon bei einem meiner ersten Besuche im Mops, dachte ich, hier kann man richtig gut was machen. Der Raum ist so athmosphärisch und bringt mit der kleinen Bühne natürlich eine super Voraussetzung mit. Als eine der Wohnzimmerkneipen in Gostenhof bin ich auch sehr gespannt wie das Mops-Publikum auf Literatur reagiert.

Lara Sielmann und Tillmann Severin
Tillmann Severin und Lara Sielmann

KNBG: Welche Freiräume, Potenziale und Möglichkeiten bieten die Unabhängigen Lesereihen-Gastspiele Literaturschaffenden aber genauso einem interessierten Publikum?

TS: Unserer Erfahrung nach kann eine Lesereihe die ganze Literaturszene einer Stadt beleben und für Austausch sorgen. Für Veranstalter*innen, Autor*innen und solche die es werden möchten, sind die Gastspiele Ort der Vernetzung, Inspiration und Ermutigung.

Für das Publikum wollen wir eine Erweiterung zu bisherigen Angeboten sein. Eine Brücke zwischen dem institutionellen Betrieb der Literaturhäuser und Theater und dem unabhängigen Betrieb der vielen, die Literatur als soziale Praxis verstehen. Texte Hören, unterhalten werden, neue Gedanken fassen und mit Freund*innen sprechen. Ein guter Abend eben, der neben Bier und Gesprächen auch noch ein bisschen mehr enthält.

KNBG: Ausblick – Im Anschluss an die Lesereihe soll im September 2019 ein groß angelegtes Literaturfestival der Unabhängigen Lesereihen im Z-Bau in Nürnberg stattfinden. Wer steht hinter diesem Projekt und auf was dürfen wir uns freuen?

LS: Beim Festival werden es nicht 6 Reihen an 6 Tagen sein, sondern ungefähr 25 Reihen an 4 Tagen – also alle Reihen der Unabhängigen Lesereihen. Die Einladungspolitik wird die gleiche sein und so kann sich das Publikum auf vier Tage unterschiedlicher Lesereihen, Texte, Autor*innen und Literaturbegeisterung freuen.

Neben dem Programm der einzelnen Reihen wird es ein Festivalprogramm geben, das für noch mehr Festivalstimmung sorgt. Wer die vier Tage mitmacht, ist hinterher sicher auf Du mit der halben Literaturszene im deutschsprachigen Raum – und wer kurz vorbeischaut, lernt ihre Lebendigkeit kennen.

KNBG: Vielen Dank für das Gespräch und euch alles gute für die spannenden Vorhaben in Nürnberg und anderswo! 

LS & TS: Vielen Dank!

 

 


 

3 Kommentare

  1. Hey, wir hatten ja sowas in der Richtung schon 2000 im “stereo deluxe club” mit “culture deluxe” gemacht.
    (So hieß der Club damals noch.) Als dann Oli verunglückte, hatte wir diese Lesungen auf diverse Orte in der Stadt verteilt.
    Unter anderem dafür, hatten wir 2003 den Kulturförderpreis der Stadt Nbg. bekommen. Es waren also alles andere als kleine unbeachtete Lesungen! Das wird bei euch bestimmt auch eine interessante Aktion.
    Wenn ihr Lust habt euch auszutauschen:
    Jürgen Rosner unter der +49 172 81 21 400 oder unter info@studio-rosner.de.

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