Deutschlands größter Fachwerkbau aus dem Mittelalter
Der Weinstadel in Nürnberg ist mit 48 m Länge Deutschlands größter Fachwerkbau aus mittelalterlicher Zeit. Seit 1950 ist ein Studentenwohnheim im Bauwerk untergebracht.
Das Bauwerk wurde kurz vor der Mitte des 15. Jahrhundert am Neuen Bau (ab 1806 Maximiliansplatz bzw. Maxplatz) am nördlichen Pegnitzufer errichtet.
Unser Artikel behandelt Geschichte und Architektur des Weinstadels und des benachbarten Wassertums, mit dem der Weinstadel über eine eingedeckte Brücke verbunden ist.
Der Weinstadel und seine Geschichte in den letzten Jahrhunderten
Der große Fachwerkbau wurde in den Jahren 1446 bis 1448 als sog. Sondersiechenhaus von der Reichsstadt Nürnberg erbaut.
Bei einem Sondersiechenhaus (mittelhochdeutsch siech = krank, aussätzig) handelte es sich um ein Seuchenhospital, in dem Leprakranke (Sondersiechen) untergebracht wurden.
Das neue Sondersiechenhaus am Neuen Bau hatte seinen Ursprung im 1394 gestifteten Sondersiechenalmosen.
Dieser Almosen (materielle Gabe aus Mitleid) wurde gestiftet, um sechs Leprakranke in der Karwoche mit Speisen zu versorgen.
Leprakranken war der Zutritt zur Reichsstadt Nürnberg verboten und sie mussten außerhalb der Stadtmauer leben. Mit dieser Maßnahme versuchte der Nürnberger Rat einer Ansteckung der Bevölkerung mit der Krankheit vorzubeugen.
Die Krankenspeisungen in der Karwoche zogen jedoch so viele Menschen an, was zu einer Einstellung der Speisungen führte.
Am Sebalder Kirchhof wurden im Anschluss Sondersiechenschauen (also Beschauungen der Leprakranken) veranstaltet.
Diese Schauen waren bei dem Nürnberger sehr beliebt und entwickelten im Laufe der Jahre einen Volksfestcharakter, so dass die Sondersiechenschauen auf den Neuen Bau umziehen musste.
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Für die Unterbringung der Kranken während der Karwoche wurde das Sondersiechenhaus, der heutige Weinstadel, schließlich in den Jahren 1446 bis 1448 errichtet. Der Bau diente außerdem in Kriegszeiten als Unterkunft für Schutzsuchende.
So wurden beispielsweise im Ersten Markgrafenkrieg (1449–1450) die Klosterfrauen aus Pillenreuth im Weinstadel untergebracht.
Erst 1575 verlegte die Stadt die Sondersiechenschauen nach St. Johannis. Und 1627 verlegte man die Unterkunft für Kranke und die Beschau der Infektiösen in das von der Reichstadt erworbene Schauhaus in der Sebalder Altstadt.
Im Fachwerkbau an der Pegnitz wurden anschließend Handwerker und Waisen untergebracht sowie Räume für ein Frauenspinnhaus und ein Hospital freigestellt.
Bereits um 1571 wurde das Erdgeschoss aus Sandstein als Weinlager genutzt – hiervon leitet sich auch der heutige Name Weinstadel ab.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Weinstadel am 3. Oktober 1944 schwere Bombentreffer wie dieses Foto zeigt:
Seit den 1950er Jahren ist im Weinstadel und dem Wasserturm ein Studentenwohnheim mit 74 Wohungen untergebracht. Der Weinstadel wurde nach den heftigen Kriegszerstörungen innen modern umgebaut, um der Funktion als Studentwohnheim gerecht zu werden.
Der originale Dachstuhl aus dem 15. Jahrhunderts hat sich aber im großen Partien erhalten und zeugt immer noch von der damaligen Pracht des Gebäudes.
Zur Architektur des Weinstadels
Das Sondersiechenhaus wurde in den Jahren 1446–48 am Neuen Bau außerhalb der vorletzten Stadtmauer am nördlichen Pegnitzufer errichtet.
Es handelt sich um einen 48 m langen Bau mit drei Geschossen und einem ebenfalls dreigeschossigen Satteldach samt Schleppgauben.
Das Erdgeschoss des Bauwerks wurde als massiver Sandsteinbau entworfen.
Darüber ragten zwei Obergeschosse aus Fachwerk empor, die an allen Seiten vor die Mauerflucht des Sandsteingeschosses kragen. Dieses Vorkragen ist für Fachwerkhäuser in Nürnberg untypisch.
Die Obergeschosse des Weinstadels haben an der Südseite Holzgalerien mit Bretterbrüstungen. Außerdem sind an dieser Seite auch metallene Wasserspeier angebracht.
Die Ostseite beeindruckt mit einem Dacherker, dessen besondere Merkmale ein Spitzbogenfester, ein Schleppdach und Anblattungen sind. Es handelt sich um einen der ältesten Dacherker Nürnberg
Im Osten verbindet ein brückenartiger Bauteil in Fachwerkbauweise, der von einem Satteldach gedeckt wird, das erste Obergeschoss des Weinstadels mit dem benachbarten Wasserturm.
Der Wasserturm am Weinstadel
Der Turm entstand früher als der Weinstadel errichet. Bereits in den Jahren 1320/25 funktionierte er als nördlicher Wehrstandort des Henkerstegs.
Der Turm war Teil der Pegnitzüberbrückung, die die Sebalder mit der Lorenzer Stadt verbinden sollte.
Mit der Erweiterung der Stadtbefestigung nach Westen verlor der Wasserturm seine Funktion als Teil der Stadtmauer.
Wie der Weiße Turm oder der gegenüberliegende Henkersturm stand der Wasserturm nun im Stadtgebiet. Die neue Nutzung sah die Einrichtung eines Gefängnis vor.
Der Wasserturm gehört seit der Errichtung des Weinstadels im 15. Jahrhundert zum Ensembles des ehemaligen Siechenhauses.
Er wurde über eine eingedeckte Fachwerkbrücke mit dem angrenzenden westlichen Bauwerk architektonisch verbunden.
Der Turm ist aus Buckelquadern errichtet worden und wird über rechteckige Fenster und Scharten beleuchtet.
Der obere Bereich des Turmes wurde dagegen aus Backsteinen gemauert und ist von einem Walmdach gedeckt.
An der Ostseite des Wasserturms sind noch Spuren eines Kamins zu erkennen.
Heute ist der Wasserturm teil der Anlage des Studentenwohnheims.
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Literatur
- Günther P. Fehring / Anton Ress: Bayerische Kunstdenkmale. Die Stadt Nürnberg, Kurzinventar, 2. Aufl., München 1977 (unveränderter Nachdruck 1982).
- Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Hgg.): Stadtlexikon Nürnberg, 2. Aufl., Nürnberg 2000.