Carl Spitzweg und Johann Baptist Pflug in Schweinfurt

Carl Spitzweg: Studie zu Der arme Poet, 1837, Öl auf Karton, 32 x 42,6 cm, Grohmann Museum Collection at Milwaukee School of Engineering, Milwaukee, WI (USA), Foto: Larry Sanders, Milwaukee, WI (USA)
Carl Spitzweg: Studie zu Der arme Poet, 1837, Öl auf Karton, 32 x 42,6 cm, Grohmann Museum Collection at Milwaukee School of Engineering, Milwaukee, WI (USA), Foto: Larry Sanders, Milwaukee, WI (USA)

Spitz und Knitz – Carl Spitzweg und Johann Baptist Pflug im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt.

2. Juli bis 24. September 2017 

Spitz und Knitz – Carl Spitzweg und Johann Baptist Pflug

Carl Spitzweg: Studie zu Der arme Poet, 1837, Öl auf Karton, 32 x 42,6 cm, Grohmann Museum Collection at Milwaukee School of Engineering, Milwaukee, WI (USA), Foto: Larry Sanders, Milwaukee, WI (USA)
Carl Spitzweg: Studie zu Der arme Poet, 1837, Öl auf Karton, 32 x 42,6 cm, Grohmann Museum Collection at Milwaukee School of Engineering, Milwaukee, WI (USA), Foto: Larry Sanders, Milwaukee, WI (USA)

Der ältere Johann Baptist Pflug (1785-1866) war in seiner Zeit als Maler einer der wichtigsten Schilderer von Sitten und Gebräuchen im süddeutschen Raum. Er arbeitete in der freien Reichsstadt Biberach in Oberschwaben. Sie fiel 1806 an das Königreich Württemberg und erlebte in dieser Zeit viele Truppendurchzüge. Die napoleonischen Kriege führten dabei fremdes Militär in eine wohlhabende Region, welche Durchreisende bisher nur in Form von Schauspieltruppen, Akrobaten und fahrendem Volk kannte.

Pflug interessierte sich anfangs stark für das Soldatenleben, später für Gruppen am Rand der Gesellschaft. Den gemalten Höhepunkt seiner Bilder stellt meistens einer ihrer „Auftritte“ dar. Zu diesen gehören professionelle Schauspieldarstellungen ebenso wie das unfreiwillig komische Verhalten einzelner Personen. Hierbei ist Pflug ein minutiöser Beobachter.

Er erfasst detailliert, wie bei solchen Anlässen seine Zeitgenossen und Mitbürger die Studentenkappe, die Sonntagstracht oder die selbst erfundene Galauniform tragen. Und er macht dem Betrachter durch Körperbewegungen und andere Ausdrucksformen klar, wer in diese Kleidung eigentlich nicht hineinpasst und wer sich unschicklich benimmt. Dabei wird der Betrachter seiner Bilder oft manipuliert, nicht das Zentrum des Geschehens, sondern die Randszenen sind die Schlüssel zum Verständnis seiner Bildwelten.

Pflug gehört zur Vatergeneration von Carl Spitzweg (1808-1885). Sein Oeuvre, am Kunstmarkt stets hoch geschätzt, war bis zur Erstellung eines Werkverzeichnisses durch Dr. Uwe Degreif (erschienen 2016) und einer im Frühjahr 2017 im Braith-Mali-Museum in Biberach zu Ende gegangenen Retrospektive in seiner Bandbreite unbekannt.

Das Museum Georg Schäfer ergreift deshalb mit der Gegenüberstellung von Werken der beiden Künstler sogleich die sich nun erstmals bietende Chance, Carl Spitzwegs Frühwerk neu einzuordnen. Einzuordnen in eine Zeit des Höhepunkts der so genannten Sittenschilderung, wobei ab ca. 1828 dieses beliebte Genre mit einem neuen Zug des Humorvollen und der Komik gemischt wurde.

Diese Übergangsphase in der Malerei hat eine zeitliche Parallele in den damaligen Theateraufführungen. Es waren die Stücke und Inszenierungen des Johann Nepomuk Nestroy, der auch persönlich den Aufstieg der nur vordergründig harmlos erscheinenden „Possen“ von Wiener Vorstadttheatern in den Olymp königlicher Hoftheater in München und Stuttgart in die Wege leitete.

Dies zum Entsetzen der damaligen Kritiker. Immerhin hatte Jean Paul bereits 1804 in der Vorschule der Ästhetik dem Humor den Weg zurück auf die erhabene Bühne geebnet und von der „Notwendigkeit deutscher witziger Kultur“ gesprochen. Dies stand damals in Widerspruch zu den Idealisierungsbestrebungen einer an klassizistisch-dramatischen Themen orientierten Schauspielkunst.

Johann Baptist Pflug: Taufvisite im evangelischen Pfarrhaus, 1828, Öl auf Blech, 23 x 30 cm, Inv.-Nr. GVL 10, Staatsgalerie Stuttgart, Foto © Staatsgalerie Stuttgart
Johann Baptist Pflug: Taufvisite im evangelischen Pfarrhaus, 1828, Öl auf Blech, 23 x 30 cm, Inv.-Nr. GVL 10, Staatsgalerie Stuttgart, Foto © Staatsgalerie Stuttgart

Ein volkskundlich interessierter Betrachter mag heute Pflug aufgrund seiner Detailversessenheit bei Kleidungen und Raumausstattungen unter anderen Aspekten sehen, doch eigentlich war Pflug ein Realist. Freilich wählte er selbst in seinen Porträts eine Verkürzung der Figur, gab dazu den Menschen kindlich vergrößerte Köpfe, was sie drollig erscheinen ließ. Drollige Szenen waren eben auch im heiteren Theater in Mode.

Dazu trat eine ganz einzigartige Mimik seiner Helden, sie erzählt uns von menschlichen Stimmungslagen zwischen Hoch und Tief, wobei freilich die Freuden überwiegen. Obwohl er selbst von akademischen Gremien gewürdigt und in Hofkreisen gesammelt wurde, galt und gilt er aufgrund seines Wirkungskreises Oberschwaben in Fachkreisen als „Geheimtipp“. Es ist Zeit, ihn einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Kennzeichnend für seine Kunst sind vor allem aus der Fassung geratene, ins Burleske und Groteske abdriftende „Festivitäten“, die vom Betrachter aus der Distanz eines Zuschauers, eines Theaterbesuchers gesehen und erlebt werden sollen.

Sein Humor ist dabei knitz, tiefgründig, und seine deftigen Szenen erschließen sich nur bei genauer Betrachtung aller porträthaft und karikierend erfassten Beteiligten.

Eine genaue Betrachtung erfordert auch die Bildwelt Carl Spitzwegs. Er schildert seine Zeit, das Biedermeier, ebenso visuell erfassend und doch analytisch wie Pflug und er interessiert sich ebenfalls für die Außenseiter der Gesellschaft, für Künstler wie den armen Poeten, für Schauspieler auf der Durchreise, für Soldaten ohne Beschäftigung.

Dabei legt er jedoch nicht so sehr Wert auf die Erfassung von theatralisch komponierten Veranstaltungen mit vielen Beteiligten, sondern auf die Darstellung der Einzelfiguren, enthüllt auf einzigartige Weise ihre Marotten und ihre ach so menschlichen Charakterzüge. Doch die Brücke zu Pflug bildet nicht nur das gemeinsame Interesse an Randgestalten der Gesellschaft, sondern vor allem die Nutzung der Erkenntnisse theatralischer Kompositionen.

Dies wird bei Inszenierungen wie Serenissimus – er kommt (um 1870) augenfällig. Ein Ziel der Ausstellung ist es also, dem Besucher die nicht sogleich erkennbaren Bezüge zum Theater, insbesondere die Auftritte der Helden, deutlich zu machen. Dazu stellt das Deutsche Theatermuseum in München zahlreiche Leihgaben zur Verfügung.

Ein weiteres Ziel ist es, Komik im Vergleich zu zeigen, hier der satirisch-stechend spitze Humor eines Carl Spitzweg, der zuerst als Karikaturist in der Zeitschrift Fliegende Blätter  ans Licht der Öffentlichkeit trat und uns zum schmunzelnden Zuschauer macht, dort der schwäbisch-knitze Humor Pflugs, der uns aus sicherer Distanz fernrohrartig in Wirtshäuser und Festzelte hineinspionieren lässt, wo wir verbotene Liebeständelei und allerlei andere Laster erspähen können und sollen.

Johann Baptist Pflug: Das Bäuerlein auf dem Studentenkommers, um 1829, Öl auf Holz, 20 x 28 cm, Museum Biberach
Johann Baptist Pflug: Das Bäuerlein auf dem Studentenkommers, um 1829, Öl auf Holz, 20 x 28 cm, Museum Biberach

Die heiter leichte Sommerausstellung präsentiert rund 100 Werke, darunter bedeutende Leihgaben aus Privatbesitz und aus Museen: Braith-Mali-Museum Biberach, Zeppelin Museum Friedrichshafen, Bayerische Staatsgemäldesammlungen München, Staatsgalerie Stuttgart, Ulmer Museum. Aus der Grohmann Museum Collection in Milwaukee, USA, kommt Spitzwegs Armer Poet (Ölskizze).

Auch die Hauptwerke Carl Spitzwegs, die von März bis Juni an das Leopold Museum in Wien ausgeliehen waren, sind wieder zurück und zu sehen.

Der Ausstellung wird zum einen das im Jahr 2016 erschienene Werkverzeichnis zu Johann Baptist Pflug zugrunde gelegt, in dem sich ein Beitrag des Kurators Dr. Wolf Eiermann zum Vergleich Spitzweg – Pflug befindet. Die umfangreiche Monografie zu Carl Spitzweg von Jens Christian Jensen ist ebenfalls im Pictura Buchshop des Museums Georg Schäfer erhältlich.

Direkt zum Ausstellungsthema hält Dr. Wolf Eiermann am 16. Juli 2017 einen Vortrag im Rahmen des Tages der offenen Tür, bei freiem Eintritt. Dieser Vortrag wird in gedruckter Fassung bereits zur Eröffnung der Ausstellung vorgelegt und ebenfalls zum Verkauf angeboten.

Infobox

  • 2. Juli bis 24. September 2017
  • Eröffnung: Samstag, 1. Juli 2017, um 14.00 Uhr
  • Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt
  • Dienstag – Sonntag: 10 – 17 Uhr | Donnerstag: 10 – 21 Uhr | Montags geschlossen (außer an Feiertagen)

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