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EIN GESPRÄCH MIT KASIA PRUSIK-LUTZ ÜBER DIE MODULGALERIE IM U-BAHNHOF LORENZKIRCHE

Foto: Modulgalerie

Alexander Racz: Wie kam die Idee zur Modulgalerie auf?

Kasia Prusik-Lutz: Vor fünf Jahren sind mein Mann Olaf Prusik-Lutz und ich mit Artur Wabik, einem Kollegen aus Krakau durch Nürnberg gelaufen. Wir sprachen dabei über Kunst im Öffentlichen Raum und dass es hier noch viele unentdeckte Orte gibt, die sich anbieten würde, um Kunst zu zeigen.

Zufällig liefen wir an den alten Schließfächern im U-Bahnhof Lorenzkirche vorbei, die sich in einem Eck, an einer „unsichtbaren“ Stelle befinden, wo eigentlich niemand hingeschaut hat. Wir sagten
spontan, diese Ecke wäre ein guter Ort für Kunst im Öffentlichen Raum. Einige Zeit später fragte ich bei der Stadt Nürnberg nach, ob man die Stelle bei den Schließfächern zumindest für eine kurze Zeit nutzen könnte. Die Reaktionen waren sofort optimistisch, da die Stadt Nürnberg eine Sanierung und Veränderung des U-Bahnhofs Lorenzkirche ohnehin vornehmen will. Im Rahmen des Symposium Urbanum bekamen wir für die Umsetzung eine Förderung, ohne die der Umbau der Schließfächer nicht möglich gewesen wäre. Von Anfang an war klar, dass wir die alten Schließfächer weiter nutzen wollten. Sie sollten nicht entfernt werden, um an die Wand ein dekoratives Blümchengraffiti zu sprayen.

Foto: Modulgalerie
Foto: Modulgalerie

Die Funktion des Schließfaches, als Ort, in dem man etwas versteckt oder aufbewahrt, sollte weiterleben. Früher haben die Leute in den Schließfächern Dinge vor den Zugriff anderer Menschen versteckt. Heute verstecken KünstlerInnen in den Schließfächern Arbeiten, die jedoch von den Passanten durch das Öffnen der Türen gefunden werden können. Die soziale Komponente des „Aufspürens“ oder „Spionierens“ ist eine lustige Seite der Modulgalerie. Von außen sollte die Modulgalerie schlicht aussehen und dazu beitragen, eine gewisse Ruhe in die hektische Passage zu bringen. Wir haben die Schließfächer schwarz gestrichen und die Nummern der Fächer mit leichtem Glanz betont. Das Innere der Schließfächer musste hingehen stark verändert werden. Die Beleuchtung, Elektrik und Sicherung der Schließfächer wurden neu eingebaut. Jedes der 48 Fächer hat eine Steckdose und kann als kleiner Raum künstlerisch bespielt werden. Die erste Ausstellung, die mein Mann Olaf und ich in der Modulgalerie zeigten, war auch so konzipiert, dass jedes Fach einen Raum nachbildete, in den man den Kopf stecken konnte und plötzlich in eine maßstabsgetreu nachgebildete Galerie blickte.

AR: Mit 48 Fächern kann man sicher sehr viele Ideen umsetzen.

KPL: Die Galerie selbst ist als Kunstobjekt konzipiert. Der Überraschungseffekt, die Nichtoffensichtlichkeit des Ortes der Präsentation von Kunst und Themen, die im Allgemeinen als unvereinbar mit der Umgebung gelten, ist Teil dieser Arbeit. Ebenso wie die Interpretationsmöglichkeiten des Objekts selbst und seines sich verändern den dynamischen und auf den ersten Blick unsichtbaren Teils, der hinter einer Metalltür verborgen ist. Die Art der Betrachtung des Werks (Öffnen eines Schranks oder aller auf einmal), die Interpretation im Kontext des Ortes und die Möglichkeit, sich zu lösen und durch das Miniportal – diese Metalltür – in eine andere Realität zu gelangen. Das alles war uns sehr wichtig. Ein Fach, das eine alte Sprechanlage beinhaltet, wird von uns als kuratorischer Lautsprecher verwendet, um Informationen zur aktuellen Ausstellung mitzuteilen. Das Lautsprecherfach darf aber auch von den KünstlerInnen für eine Audioarbeit genutzt werden. Man kann die Fächer einzeln bespielen, so dass in jedem Fach ein unabhängiges Kunstwerke zu sehen ist oder man verteilt ein zusammenhängendes Werk über alle Schließfächer. Die Ausstellung wäre im zweiten Fall erst vollständig besichtigt, wenn man alle Fächer aufgemacht hat.

Foto: Modulgalerie
Foto: Modulgalerie

AR: Wie öffnet man die Schließfächer?

KPL: Um die Galerie benutzten zu können benötigt man einen Euro. Damit kann man die schwarze Metalltür öffnen, die Kunst betrachten und nach dem Drücken des alten Münzrückgabeknopfs erhält man seinen Euro direkt wieder zurück.

AR: Welche Ausstellung habt ihr bisher in der Modulgalerie gezeigt.

KPL: In der ersten Ausstellung „Der Kopf passt ins Innere“, die am 29. Oktober 2021 eröffnet wurde, haben Olaf und ich die Schließfächer mit eigenen Arbeiten bestückt. Wir haben unserer Ateliers und Ausstellungsräume inklusive Kunstwerken und fünf Zentimeter großen Personen in den Fächern maßstabsgetreu nachgebaut.

Hierbei entstand ein spannendes Spiel mit den Proportionen. Es war möglich, ideale Räume im kleinem Maßstab zu bauen, die im originalen Maßstab nur mit viel Geld umzusetzen gewesen wären.

In den anschließenden Ausstellungen wurden KünstlerInnen eingeladen, um sich mit den Schließfächern künstlerisch auseinanderzusetzen. Alle vier Monate findet eine Ausstellung statt, die wir mit Hilfe einer Förderung des Hochbauamtes der Stadt Nürnberg, des Amtes für Internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg und dem Krakauer Haus umsetzen. AR: Die aktuellen Ausstellung mit dem Titel „Treibstoff“ vereint ukrainische, polnische und deutsche KünstlerInnen. Um was geht es genau? KPL: Wir haben sechs KünstlerInnen, die aus Nürnberg, Krakau aber auch Charkiw in der Ukraine, einer Partnerstadt von Nürnberg, kommen. Die Planung zu einer Ausstellung mit ukrainischer Beteiligung begann schon vor dem Ausbruch des Krieges und natürlich hat der Krieg das Ausstellungskonzept völlig verändert.

Modulgalerie, Foto: Alexander Racz
Modulgalerie, Foto: Alexander Racz

Außerdem habe ich zwei weitere Kuratoren aus Krakau und der Ukraine eingeladen, was eine große Hilfe war. In diesem Fall haben wir zunächst das Konzept formuliert und dann dazu passende KünstlerInnen gefragt, ob sie teilnehmen möchten. Die Arbeiten funktionieren thematisch sehr zusammen, kommen jedoch aus sehr verschiedenen künstlerischen Perspektiven.

Es geht in der Ausstellung „Treibstoff“ um unserer Zeit, in der die Idee des Menschen als Mittelpunkt der Welt, um den sich alles dreht, für den alles gemacht ist, in Frage gestellt wird. Die ökologische Krise und der Krieg in der Ukraine treffen uns intensiv. Wir stellten uns auch die Frage, ob das Themen sind, die man mit Kunst im Öffentlichen Raum ansprechen soll bzw. darf.

Foto: Modulgalerie
Foto: Modulgalerie

AR: Welche Arbeiten haben die ukrainischen Künstler beigesteuert?

KPL: Beide Künstler Vadyslav Yudin und Kostiantyn Zorkin leben in Charkiw und sind dem russischen Angriff direkt ausgeliefert. Trotzdem können sie weiter auch künstlerisch arbeiten. Sie sind Bildhauer und Objektkünstler. Sie arbeiten mit Materialien wie Holz und Schnüren in erdigen Farben.

Die Arbeit „Sign Language“ besteht aus acht Händen, die aus Holz geschnitzt wurden. Die grob gearbeiteten Hände gehen in filigrane Vögelchen oder Tigerzähne über. Da der Künstler nicht an der Vernissage teilnehmen konnte, hat das Werk -„ Die Gebärdensprache” stumme Zeichen – für mich eine noch „lautere” Dimension bekommen In einer weiteren Arbeit wurden aus Schnüren menschliche Objekte geschaffen, die das Thema Körperlichkeit behandeln. Aus Krakau nehmen die zwei Künstlerinnen Marta Jamróg und Justyna Smoleń teil, die skurrile und gleichzeitig lustige Porzellanobjekte und Ikonen, die nicht Heilige, sondern die Natur abbilden, in der Modulgalerie versammeln. Außerdem sind noch die hier bekannten Künstler Adam Cmiel und Dashdemed Sampil dabei. Dashdemed zeigt digitale Bilder in den Fächern, die auf einem digitalen Bilderrahmen laufen und Adam zeigt seine fantastischen, postmenschlichen Landschaften.

AR: Vielen Dank für den spannenden Einblick in die Modulgalerie.

KPL: Vielen Dank, Alexander

Modulgalerie- Kunst im Fach / Kasia Prusik-Lutz & Olaf Prusik-Lutz / Symposion Urbanum Nürnberg

4 Comments

  • Karin Berger
    2. Juli 2023

    bin neugierig geworden, schau ich mir ganz sicher einmal an, klasse Idee!!! :-)))

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