Freitag, April 25, 2025

Top 5 This Week

Newsletter

Verpassen Sie keine neuen Artikel mehr!

Neue Artikel

LEBENSLINIE – MAŁGORZATA MARKIEWICZ

22.03.-2.05.2025

Eine textile Meditation über Mutterschaft, Wandel und Verbindung

Wie wird eine Linie zu einer Lebenslinie? Wie verwandelt sich eine Zeichnung in ein atmendes, sich wandelndes Kunstwerk? Die Ausstellung „Lebenslinien“ der Künstlerin Małgorzata Markiewicz im Krakauer Haus Nürnberg, kuratiert von Kasia Prusik-Lutz im Rahmen der Biennale der Zeichnung, gibt eindrucksvolle Antworten auf diese Fragen.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Serie „Connected“, ein Langzeitprojekt, das 2009 mit der Schwangerschaft der Künstlerin begann und bis ins Jahr 2026 hineinreicht. Die Fotoserie dokumentiert nicht nur das Heranwachsen ihrer Tochter Gaja, sondern auch einen parallelen künstlerischen Prozess: das Auflösen eines gehäkelten Kleides der Mutter und das gleichzeitige Entstehen eines neuen Kleides für das Kind. Was wie eine intime Geste erscheint, entfaltet im Ausstellungsraum eine unerwartete Dimension: Das Häkelmuster wird zur dreidimensionalen Zeichnung, zur „textilen Spur eines unaufhörlichen Werdens“.

„Das weiße, gehäkelte Kleid entstand während meiner Schwangerschaft. Ich fertigte es für mich an, während meine Tochter in mir heranwuchs. Gegen Ende der Schwangerschaft begann ich, das Kleid aufzulösen – als Ankündigung der bevorstehenden Geburt eines neuen Wesens. A

b dem Moment, in dem meine Tochter Gaja das Licht der Welt erblickte, begann ich, ein neues Kleid für sie zu häkeln, während ich gleichzeitig mein eigenes auftrennte. Gaja wird wachsen, ich werde schrumpfen. Wir werden immer durch einen Faden verbunden sein.  

Der Entstehungsprozess von Gajas Kleid und damit ihr Heranwachsen wird bis zu ihrer Volljährigkeit fortgesetzt.

Jedes Jahr werde ich ein Foto machen, das ihre Entwicklung dokumentiert. Danach werden weitere Bilder folgen – wann und in welcher Form, das bleibt vorerst eine offene Zukunft.“

Malgorzata Markiewicz /

Die Linie – traditionell als Strich auf Papier gedacht – wird hier dekonstruiert und neu definiert. Sie ist Faden, Masche, Geste, Beziehung. Das Auftrennen der Mutterlinie, das Heranwachsen der Tochterlinie: Es sind Prozesse, die sich über Jahre spannen, zyklisch, flüchtig und doch tief verbunden. Markiewicz überführt das Medium Zeichnung ins räumliche und bezieht Berührung, Zeit und Erinnerung mit ein.

MALGORZATA MARKIEWICZ, Polaczone, 2021, Foto: Joanna Czaczkowska
MALGORZATA MARKIEWICZ, Polaczone, 2021, Foto: Joanna Czaczkowska

Dass die Linie in dieser Ausstellung nicht nur grafisches, sondern zutiefst skulpturales Element ist, zeigt sich auch in der performativen Dimension von Markiewicz’ Arbeit. Zwei Live-Performances im Neuen Museum und zur Vernissage im Krakauer Haus erweitern das Erleben der Ausstellung. Die eigens komponierte Musik von Patryk Zakrocki unterstützt diesen immersiven Zugang und verwebt Klang mit Textil, Raum mit Emotion.

Auch formal überzeugt die Fotografieausstellung: Die minimalistische Hängung der Fotografien und die ruhige Inszenierung der Objekte lassen Raum für Reflexion. Die Besucher:innen sind eingeladen, sich den „unsichtbaren Fäden“ hinzugeben, die die Werke durchziehen – Fäden, die uns mit anderen, mit unserer Herkunft, unseren Kindern und auch mit unseren früheren Selbst verbinden.

MALGORZATA MARKIEWICZ, Polaczone, 2009
MALGORZATA MARKIEWICZ, Polaczone, 2009

„Lebenslinien“ ist keine Ausstellung im klassischen Sinne, vielmehr ist sie ein Dialog. Zwischen Mutter und Tochter, Vergangenheit und Zukunft, Kunst und Leben. In einer Zeit, in der künstlerische Praxis oft auf schnelle Effekte und digitale Verfügbarkeit zielt, wirkt dieses Projekt wie ein stilles, kraftvolles Gegengewicht. Es macht sichtbar, was sonst verborgen bleibt. Die Schönheit des Wachsens, die Würde des Zerfalls und die Poesie des Dazwischen.

Mit „Lebenslinien“ gelingt Małgorzata Markiewicz eine tief berührende Auseinandersetzung mit dem Begriff der Linie, jenseits der Oberfläche, mitten ins Leben hinein. Eine leise, aber eindrucksvolle Ausstellung, die lange nachhallt.

Die Künstlerin Małgorzata Markiewicz

Malgorzata Markiewicz, Foto: Michal Luczak
Malgorzata Markiewicz, Foto: Michal Luczak

Małgorzata Markiewicz wurde in Krakau geboren und ist dort ansässig. Sie zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der visuellen Kunst und Bildhauerei. Ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste Krakau schloss sie mit Auszeichnung ab; 2015 promovierte sie im Fach Skulptur. Internationale Arbeits- und Studienaufenthalte führten sie zu Konstfack in Stockholm und ins Critical Design Studio am Royal Institute of Technology.

Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet: mit einem Stipendium der Stadt Krakau (2018), den Förderungen des polnischen Kulturministeriums (2004, 2011 und 2025) sowie dem Kazimiera-Bujwidowa-Preis 2023.
Markiewiczs Kunst zeichnet sich durch eine poetische Auseinandersetzung mit den Wechselwirkungen von Körper, Raum und gesellschaftlichen Netzwerken aus. Zu ihren bekanntesten Projekten gehören das Gombrowicz-Denkmal in Krakau und der „Vorhang der Frauen“ am Juliusz Słowacki-Theater.

Ihre Werke wurden international gezeigt, unter anderem in der Zachęta, Nationalgalerie für Kunst, im Zentrum für Zeitgenössische Kunst Zamek Ujazdowski, im Skulpturenpark Bródno, im Museum für Moderne Kunst Warschau, im Zentralmuseum für Textilien Łódź, im MOCAK Krakau, in The Photographers’ Gallery London, im Matadero Madrid sowie im Berardo Museum Lissabon.

Text: Dr. Alexander Rácz


Ausstellung „Lebenslinien“ im Krakauer Haus Nürnberg, 22. März – 2. Mai 2025, geöffnet donnerstags und freitags 14–18 Uhr sowie nach Vereinbarung.

Newsletter

Verpassen Sie keine neuen Artikel mehr!

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Popular Articles