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Algorithmen in der Kunst? Birke Bonfert im Interview

Birke Bonfert: o.T, 2014, 173 x 187 cm, Öl auf Leinwand

Birke Bonfert hat an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg Freie Malerei studiert und zeigt vom 26. März 2015 – 29. März 2015 im Heute:_ auf dem ehemaligen Quelle-Gelände ihre neueste Werkschau mit einer Vielzahl an Bildern. Birke Bonfert ist den Kunstnürnberg-Lesern auch von Ihrer Teilnahme an der ersten Kunstnürnberg-Ausstellung bekannt und berichtet im Interview von ihrer Kunst und der spannenden Frage, ob Algorithmen in der Kunst funktionieren.

Birke Bonfert im Interview über ihre Ausstellung OLL – Orientation of the Last Layer

Birke Bonfert: getarnt, 2014, 150 x 120 cm, Öl auf Leinwand

Birke Bonfert: getarnt, 2014, 150 x 120 cm, Öl auf Leinwand

Kunstnürnberg: Am 26. März 2015 eröffnet um 19 Uhr im Heute auf dem ehemaligen Quelle-Areal deine Ausstellung „OLL – Orientation of the Last Layer.“ Welche Idee steckt hinter diesem Titel?

Birke Bonfert: Der Begriff OLL – Orientation of the Last Layer entstammt dem Speedcubing, also der Disziplin einen Rubiks cube in so kurzer Zeit wie möglich zu lösen. OLL umfasst 57 Algorithmen, die je nach
Ausgangslage gewährleisten, dass die obere Ebene des Würfels richtig ausgerichtet ist.

Ich hab mich mal eine Zeit lang mit Speedcubing beschäftigt und dabei sind mir einige Parallelen zu meiner Arbeit aufgefallen: mit Zeit bzw. Schnelligkeit hat das nichts zu tun (der Rekord liegt bei 5,55 Sekunden), aber
mit der Vorgehensweise den Würfel zu lösen. Zuerst die unteren beiden Ebenen ebenfalls durch eine
Vielzahl an Logarithmen, die vorgeben welche Ebene wie oft in welche Richtung gedreht werden muss,
in Ordnung zu bringen, um dann die letzte Ebene anzugehen.

Birke Bonfert: tschuri, 2015, 23,5 x 31, 5 cm, Öl auf Papier

Birke Bonfert: tschuri, 2015, 23,5 x 31, 5 cm, Öl auf Papier

Kunstnürnberg: Du stellst die Frage, ob Algorithmen in der Kunst funktionieren. Algorithmen sind
Handlungsvorschriften, um ein bestimmtes Problem oder mehrere Probleme zu lösen. Man kennt
Algorithmen vor allem von Computerprogrammen und in diesen Tagen besonders von Google oder
Facebook. Der Facebook-Algorithmus entscheidet welche Beiträge der eigene Newsfeed anzeigt. Der
Google Algorithmus versucht die am besten passendsten Suchergebnisse zu finden. Wie ist dein
Algorithmus aufgebaut und wie übertr.gst du den Algorithmus künstlerisch in deine Bilder?

Birke Bonfert: Im Laufe meiner Arbeit habe ich mir ebenfalls ein Repertoire an möglichen Vorgehensweisen
angeeignet, die dann bei der Arbeit an einem Bild in der Art zur Anwendung kommen, dass ich
entweder gedanklich oder in Form von Skizzen am Computer durchspiele in welcher Reihenfolge und
Kombination diese Schritte abfolgen.

Das klingt jetzt so, als ob ich wirklich eine Formel hätte, wie ein Bild gemalt wird – das stimmt natürlich nicht, ich denke ich male mehr Bilder nicht, als dass ich welche als fertig deklariere, ich bin eben kein Computerprogramm.

Dazwischen passiert ja auch immer Malerei, die funktioniert nach meiner Meinung nicht ganz ohne Zufall, und auf den muss man dann reagieren, was gut ist, denn dabei entstehen auch immer wieder neue „Algorithmen“.

Birke Bonfert: o.T., 2014, Öl auf Leinwand, 160 x 200 cm

Birke Bonfert: o.T., 2014, Öl auf Leinwand, 160 x 200 cm

Um wieder auf den Würfel und den Titel der Ausstellung zu kommen; irgendwann hat das Bild einen Zustand erreicht, der für mich stimmt, wo also die unteren Ebenen geordnet sind, aber auch klar ist, es fehlt noch eine letzte Ebene. Das ist der Teil der am längsten dauert. Wieder ein Vergleich mit dem Würfel: Bei einem Lösungsansatz sieht der Würfel schon fast fertig aus: fast alle Flächen sind dann einfarbig, und es sieht so aus, als ob nur noch ein kleiner Schritt nötig wäre um ihn vollständig gelöst zu haben. Führt man aber die nötigen Schritte aus, wird scheinbar noch einmal alles durcheinander gebracht. Auch bei einem Bild ist das ähnlich, der eigentlich stimmige Zustand muss erst einmal gestört werden, um alle Ebenen zusammenzubringen.

Mit den Suchalgorithmen von Google oder den Überwachungsalgorithmen von Facebook und
Ähnlichen hat das so nichts zu tun, das ist dann eher ein inhaltlicher Aspekt, in dem Sinne, dass ein
Großteil unseres Lebens von eben solchen Algorithmen begleitet, beeinflusst, überwacht wird.

Das ist eben unsere Zeit, es wird nicht passieren, dass jeder internetfähige Mensch seine Geräte so einstellt,
dass diese Algorithmen nicht mehr greifen, und selbst wenn…dann wird es neue geben. Na und da bin
ich, und wenn ich an verschiedenen Geräten nach Bildern suche, nach Vorlagen, dann bekomme ich
verschiedene Ergebnisse, je nachdem wer diese Geräte oder die IP-Adresse sonst noch verwendet
oder nicht verwendet, das nervt mich, aber es beeinflusst mich trotzdem, und damit auch meine Arbeit.

Birke Bonfert: o.T, 2014, 173 x 187 cm, Öl auf Leinwand

Birke Bonfert: o.T, 2014, 173 x 187 cm, Öl auf Leinwand

Kunstnürnberg: Mit deinen Werken forderst du die Betrachter auf ein Problem oder Rätsel zu lösen. Du lässt die Option offen, dass der Betrachter keine Lösung findet. Kannst du das noch etwas ausführen? Welcher
Art sind die Probleme und Rätsel in deinen Bildern?

Birke Bonfert: Beim Betrachten wendet sich das Ganze: der Betrachter sieht all diese Schritte gleichzeitig, sie sind alle noch sichtbar, aber man kann nicht mehr sagen, was wann passiert ist, ist auch nicht mehr
wichtig, was hier zählt ist das Gesamte.

Die meisten oder doch zumindest viele sehen Kunst so an, dass sie sich fragen, was meint der damit,
und wenn nichts gegenständliches sichtbar ist, oder nicht ganz klar ist was gemeint ist, dann wollen sie
das erklärt haben.

Ich denke das ist nicht die richtige Art Kunst zu betrachten, bzw. dafür mache ich keine Bilder um sie hinterher zu erklären. Ich würde den Betrachter gerne dafür mündig erklären selbst zu entscheiden, was er da sieht, denn das ist er auf jeden Fall, egal wie sehr er sich mit Kunst auseinandersetzt. Und das meine ich damit, ich habe keine Ahnung wie andere Leute meine Bilder sehen, das kann ich ja auch gar nicht, aber ich hoffe dass sich der ein oder andere darauf einlassen kann seine eigene Lösung zu finden.

Birke Bonfert: Ritter, 2014, 55 x 45 cm, Öl auf Leinwand

Birke Bonfert: Ritter, 2014, 55 x 45 cm, Öl auf Leinwand

Kunstnürnberg: Deine Bilder der letzten Jahre sind eher dunkel und die Motive erinnern an den Weltraum,
Raumschiffe und mysteriöse Wissenschaftler oder Ärzte bei der Arbeit. Auch Mr. Spock wurde
dargestellt. Was bedeuten diese Motive?

Birke Bonfert: Gute Frage, ich denke das hat viel mit Vorlieben zu tun. Der Weltraum fasziniert mich eben und er ist dunkel. 🙂
Die Kriterien nach denen ich Motive suche und auswähle sind vielseitig. Was sind meine Assoziationen
mit einem Motiv? Was macht das mit mir? Ist es für mich wichtig genug um es zu benutzen? Das ist eine
sehr wichtige Frage, die Frage nach Relevanz. Meistens muss es etwas haben was nicht greifbar ist, oder
die Möglichkeit geben in meiner Übersetzung diese rätselhafte Komponente hervorzuheben. Aber auch
Motive, die ich einfach komisch finde im humoristischen Sinne. Wenn ich also Mr. Spock darstelle, dann
fand ich das witzig, aber es transportiert natürlich auch etwas.

Kunstnürnberg: Du malst figurativ, teilweise aber abstrakt mit geometrischen Formen. Wie unterscheidet sich das Figurative vom Abstrakten in deiner Kunst?

Birke Bonfert: Kommt drauf an: manchmal gar nicht, dann ist ein figuratives Element eben nur ein Element wie die anderen auch, oder eine geometrische Form ein figuratives.
Viele meiner Papierarbeiten sind figürlich, da es Papier, zum einen wegen des Materials aber auch des
kleineren Formats wegen zulässt, das was für mich an einer Figur wichtig ist gut zu zeigen. Das geht verloren
sobald es größer wird und um Malerei im Sinne von Flächen geht.
Bei den Arbeiten auf Leinwand wiederum geht es mir vordergründig um Malerei, und das ist ein
schwer zu fassender Begriff, egal wie gegenständlich, Malerei ist immer abstrakt für mich, eine Komposition
aus Flächen, Formen, Farben.

Birke Bonfert: jedermussmalweinen, 2014, 25 x 18,5 cm, Fineliner auf Papier

Birke Bonfert: jedermussmalweinen, 2014, 25 x 18,5 cm, Fineliner auf Papier

Kunstnürnberg: Welche Ausstellung, etc. folgt auf die aktuelle Ausstellung „OLL – Orientation of the Last Layer“ als nächstes?

Birke Bonfert: Es wird noch eine Ausstellung in Fürth geben, aber konkret ist da noch nichts drüber zu sagen.
Im Juni ziehen meine Familie und ich nach Leipzig, ich hoffe da passiert dann noch was, mal sehen.

Kunstnürnberg: Zum Abschluss: Hast du einen Kunsttipp (Museum, Ausstellung, Galerie, Sehenswürdigkeit, etc.) in Franken für die Kunstnürnberg-Leser?

Birke Bonfert: Ich habe fest vor mir noch die Ausstellung „I‘ve done … questionable things“ von Malte Bruns in der Galerie Sturm anzusehen, die geht noch bis zum 10. Mai.

Hier geht es zur Webseite von Birke Bonfert: http://www.birkebonfert.de

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Die Ausstellung OLL – Orientation of the Last Layer

Birke Bonfert: OLL – Orientation of the Last Layer
Malerei
26.03. – 29.03.2015

Eröffnung 26.03.2015 um 19:00 Uhr

heute – Raum für Kunst und Kultur
ehemaliges Quelle-Gelände
gegenüber Adam-Klein-Straße 175
90431 Nürnberg
www.raumheute.de

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Das Copyright der Abbildungen liegt bei Birke Bonfert.

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