3 Positionen künstlerischen Schaffens genauer betrachtet
Die Jahresausstellung 2017 der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bietet den Besucherinnen und Besuchern zahlreiche Einblicke in die verschiedenen Abteilungen und in das individuelle Schaffen der Studierenden.
Das Spektrum der Gesamtausstellung besticht durch kuratierte Ausstellungen, eigens erarbeitete Konzepte von Pavillons und stimmig arrangierten Einzelwerken.
Wohin das Auge auch fällt, es gibt was zu sehen! Worauf man auch den Fokus legt, man möchte nichts verpassen, aber was muss auf jeden Fall genauer betrachtet werden?
Diese Frage hatte sich auch eine Fachjury zu stellen und kürte verschieden Arbeiten mit Preisgeldern. Der Preisträger Yujue Liang aus der Klasse Freie Kunst unter Leitung von Professorin Heike Baranowsky (Klasse für Freie Kunst) erzählt den Betrachtern eine Geschichte mithilfe des Videos als Medium.
Inhaltlich wird eine Expedition von 1908 nach China dargestellt, bei welcher der Kartograph ermordet wird. Thematisch beleuchtet diese Erzählung den Konflikt der unterschiedlichen Weltanschauungen und verdeutlicht Gegensätze von östlicher und westlicher Mentalität.
Nicht nur inhaltlich offenbart sich ein aufregendes Thema, sondern die Umsetzung und Darstellung erzeugt eine fast greifbare Spannung. Die Akteure stellen die Geschichte in Posen dar, ein statisches Bilderzeugnis von dem Geschehen entsteht und mit jeder neuen Positionierung wird der Erzählstrang weiter geführt.
Diese erstarten Gestalten zeigen sich physisch anwesend, doch eben diese Starre verleiht dem Betrachter ein zeitgleiches Gefühl der Abwesenheit. Auch die Posen und Mimik verleihen durch ihre Expressivität dem Ganzen etwas Maskenhaftes und Überspitztes.
Diese szenenhafte Erzählweise wird durch die Kameraführung mithilfe eines ständigen Spiels vom Zeigen einer Szenerie und einem darauf folgendem Wegschwenken ermöglicht.
Dieses Fortlaufende hinein und hinaus gehen, erlaubt einen unbemerkten Posenwechsel und durch die scheinbar ununterbrochene Kameraführung fließt die Geschichte und erhält eine erzählerische Kontinuität.
Eben diese technische Umsetzung kombiniert mit beinahe der skulpturalen Darstellung, die an abgefilmte Tableaux vivants erinnert, überzeugte auch die Fachjury.
Ein weiteres herausragendes Projekt Dynamisches Radio wurde von der Projektklasse für interaktive Medien und dynamische Akustik unter der Leitung von Professor Jan St. Werner realisiert.
Es wurden 3000 Meter Kabel mit 20 Mikrofonen als Endpunkte über das gesamte Campusareal verlegt. Die Kabel an den Dachlatten erheben sich über die Köpfe der Besucher hinweg, beinahe zu schlichten Objekten hin, jedoch immer mit der Funktion der Übertragung und als verbindendes Element.
Der rückführende Knotenpunkt befindet sich in den eigenen Ausstellungsräumen und verläuft einerseits in einen Raum mit aufgestellten Lautsprechern und andererseits in einen angrenzenden Raum zu einem Mischpult.
Die Positionierung der Mikrofone erfolgte bewusst, auf der Suche nach den verschiedensten Klängen, welche die Akademie ausmachen. Beispielsweise in der Mensa, in anderen Klassen, auf der Toilette – dem stillen Örtchen – oder aber auf Wegen. Versteckt, offensichtlich oder einladend zum eigenen Interagieren und Hineinsprechen. Sie bilden die Berührungspunkte der einzelnen Orte und Menschen an der Akademie.
Ein Resultat findet sich im Raum der gesamten Wiedergabe der Klänge, in welchem ein Abbild der Akademie durch Töne erstellt wird. Aber dieses ist durch die Eigenart von Geräusch und dem Ab- und Aufklingen von Tönen nicht fixierbar, unterstrichen auch durch die eigene Positionierung des Besuchers vor verschiedenen Lautsprechern.
Im nächsten Raum werden die Klänge bewusst am Mischpult in einer Performance abgemischt und zu einer individuellen Interpretation verarbeitet. Die eigene Wahrnehmung des jeweiligen Performers bildet den Klang der Akademie auf sehr persönliche und subjektive Art und Weise ab.
Um diesen – laut Michael Akstaller – „Lauschangriff auf die Akademie“ für alle Anwesenden empfangbar zu machen, wurde ein von der Akademie zugänglicher FM-Sender auf der Frequenz von 106,2 eingerichtet.
Das Projekt entzieht sich sozusagen der Notwendigkeit der räumlichen Wiedergabe und nutzt das Radio als Verteiler, als eine weitere Instanz, um den Lauschangriff auf die Akademie zu ermöglichen.
Das dritte Werk stammt von den Künstlerduo Eyrich von Motz (Philipp Eyrich aus der Klasse Bildhauerei von Professor Ottmar Hörl und Mateusz von Motz aus der Klasse Fotografie von Professor Jürgen Teller).
In den Ausstellungsräumen der Fotografieklasse im Neubau befindet sich ein an der Wand hängendes Gebilde in verschiedenen leuchtenden Farben. Betitelt mit King Candy, besteht es aus Zucker, welchen man auch bei sehr nahem Herangehen riechen kann.
Auch wenn hauptsächlich geometrische Formen an- und übereinander angebracht wurden, erhält es durch das verwendete Material einen organischen Charakterzug. Im Gespräch mit Mateuzs von Motz stellte sich heraus, dass Zucker verwendet wurde, da dieser die Grundlage von Krebserkrankungen bildet.
Wie auch der Titel Zucker als Grundlage, als erstes Element bezeichnet, ist dieser in unserem täglichen Ernährungsverhalten ein omnipräsenter Inhaltsstoff.
In Kombination mit der Verbindung zu Krebs kann das Gebilde als Krankheitsnährstoff, anregend durch die Substanz an sich und anziehend durch die Farbigkeit, gesehen werden.
Entgegen gestellt und umringt befinden sich verschiedenartige im Raum positionierte, steinartige Objekte – PMENERGY STONE. Diese wurden aus Beton gegossen und mit einer glänzenden Schicht überzogen.
Das anliegende, schimmernde Material erzeugt eine bequem wirkende Oberfläche – assoziierbar mit Leichtigkeit – und nimmt dem Beton seine Schwere und Grobheit. Sie veredelt ihn und befähigt ihn wie einen Edelstein Strahlungen nach außen abzugeben.
Eben dieses Element wird kontextuell dem Zuckergebilde zugewandt, um eine heilende Wirkung zu erzeugen, wie auch schon in der Alchemie über Quarze angenommen wurde.
Folglich stellen die schimmernden Betonobjekte Quarze in einer Neuinterpretation dar und sind nicht nur bei diesem einen Krankheitsbildnis zu finden, sondern entfalten ihre Wirkung auch in anderen Ausstellungsräumen und dem Außenbereich der Akademie.
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