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Elizabeth Thallauer im Interview zur Ausstellung Genesis

Crystal Drawing I, 2016, Mischtechnik, 10 x 10 cm, © Elizabeth Thallauer

Elizabeth Thallauer studiert im Aufbaustudium „Kunst und öffentlicher Raum“ bei Prof. Christian Philipp Müller an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg.

Am 30. September eröffnet ihre Ausstellung „Genesis – Ordnung im Chaos und Chaos in der Ordnung“ im Kunstverein Zirndorf, Galerie Pinderpark, Ladenpassage im Pinderpark 5, 90513 (30.9. – 4.11.2016).

(Die Abbildungen in diesem Artikel beziehen sich nur auf die Ausstellung „Genesis“)

Elizabeth Thallauer über ihr Schaffen und die Ausstellung Genesis – Ordnung im Chaos und Chaos in der Ordnung.

Crystal Drawing I, 2016, Mischtechnik, 10 x 10 cm, © Elizabeth Thallauer

Crystal Drawing I, 2016, Mischtechnik, 10 x 10 cm, © Elizabeth Thallauer

Kunstnürnberg: Dieses Jahr hast du den zweiten Preis der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg gewonnen. Für welche Arbeit und wie hat die Jury die Vergabe des Preises begründet?

Elizabeth Thallauer: Die Jury hat sich glücklicherweise für meine Arbeit „A Tale about Unicorn and flying Corn“ entschieden, was für mich eine positive Überraschung war. Ich war verwundert, dass eine Arbeit, die noch ein „work in progress“ ist, also eine nicht abgeschlossene Arbeit, prämiert wurde. Normalerweise werden nur Arbeiten ausgewählt, die schon vollständig sind.

Diese Arbeit ist eine Reihe von Versuchen und Experimenten und eigentlich Recherchen mit psychotropischen Substanzen und der Grauzone von legalem und illegalem Verkauf.

Ich habe einfach angefangen zu recherchieren und da ist mir aufgefallen, dass man in Deutschland ganz legal im Internet die sogenannten Badesalzdrogen kaufen kann. Es dauert immer einige Monate bis gesetzlich geprüft wird, ob diese Substanzen, die mit kleinen chemischen Abweichung auf den Markt kommen, gefährlich und schädlich sind. Und genau in diesem Zeitraum von einigen Monaten, zwischen dem Erscheinen der Substanz und dem Verbot ist der Verkauf dieser Substanzen legal.

Die Internet-Dealer müssen nur darauf hinweisen, dass das Produkt nicht zum Verzehr für Menschen geeignet ist. Also diese Thematik hat mich eigentlich zu der großen Recherche gebracht.

So habe ich angefangen verschiedene Medikamente zu zerstreuseln, anschließend zu rekristallisieren und so ist schließlich diese Arbeit innerhalb von sechs bis sieben Monaten entstanden.

Crystal Drawing Serie, 2016, Mischtechnik, je 10 x 10 cm, © Elizabeth Thallauer

Crystal Drawing Serie, 2016, Mischtechnik, je 10 x 10 cm, © Elizabeth Thallauer

Die Installation hat drei Teile gehabt. In einem Teil ging es um die Verbindung mit der äußeren Welt. Ich habe eine Recherchereihe mit diversen Artikeln aus dem Internet durchgeführt.

Diese Artikel behandeln verschiedene Bereiche wie die Gesetzgebung in der Europäischen Kommission bis hin zu Liedern aus den 1970er Jahren wie „Now I Wanna Sniff Some Glue“ (1976) von den Ramones, die sich um die Drogenthematik drehen. Ich wollte den Inhalt der Recherche schon ein bisschen bunt gestalten.

Denn man konnte durch das Scannen von Quellcodes bei der Installation zu den Informationen meiner Recherche gelangen, was gleichzeitig der zweite Teil der Arbeit war. Und der dritte Teil war eine Zeichnung, wo ich empirische Formeln gezeichnet habe.

Und zwar mehr und mehr und mehr, bis am Ende ein formales unlesbares und teilweise lesbares Bild entstanden ist.

Kunstnürnberg: Und wie hat die Jury (Amely Deiss vom Kunstpalais Erlangen, Andrea Dippel von der Kunstvilla im KunstKulturQuartier Nürnberg und Gürsoy Dogtas aus München) die Vergabe des Preises begründet?

Elizabeth Thallauer: Das haben wir leider nicht erfahren. Die Jury hat sehr lange überlegt und sogar nach der Eröffnung des offiziellen Teils mussten wir noch ungefähr 15 Minuten auf das Ergebnis warten.

Kunstnürnberg: Achso, das ist eigentlich Schade, weil eine Begründung doch sehr spannend gewesen wäre. Es könnte zum Beispiel sein, dass du nur den zweiten Preis gewonnen hast, weil deine Arbeit noch unvollständig präsentiert wurde.

White Water, 2016, Polypropylene, 440 x 280 cm, © Elizabeth Thallauer

White Water, 2016, Polypropylene, 440 x 280 cm, © Elizabeth Thallauer

Du hattest im Februar eine Einzelausstellung im Kulturort Badstraße 8 e.V. in Fürth mit dem Titel „Floating Volumes“ und am 30. September 2016 eröffnet deine neue Ausstellung im Kunstverein Zirndorf, die unter dem Titel „Genesis – Ordnung im Chaos und Chaos in der Ordnung“ laufen wird. Worum geht es in der Zirndorfer Ausstellung?

Elizabeth Thallauer: Der Kunstverein Zirndorf ist ein kleiner Kunstverein und er befindet sich in einer Art Office-Gebäude. Es handelt sich also um sehr komplizierte Räumlichkeiten.

Das Thema „Ordnung im Chaos und Chaos in der Ordnung“ hat mich schon immer interessiert, schon seit Jahren. Ich wollte in kleinen Clustern, kleinen Teilen, verschiedene Gedanken über den Anfang von Allem und was gleichzeitig das Ende von Allem ist, formulieren. Also wie es vom Chaos unter gewissen Gesetzmäßigkeiten zur Ordnung kommt und umgekehrt.

Auf der anderen Seite kann man mit dem Begriff Genesis sofort eine Verbindung zur Bibel herstellen. Hier interessiert mich reine wissenschaftliche Theorie mit theologischen und geisteswissenschaftlichen Ideen zu mischen. Einfach durchzugehen und von hier etwas zu nehmen und von da etwas zu nehmen und damit eigene Interpretationen von verschiedenen Positionen zu schaffen.

Man könnte sagen, ich spiele einen abstrakten Gott, der in verschiedenen Positionen die Genesis interpretiert.

White Water, 2016, Polypropylene, 440 x 280 cm, © Elizabeth Thallauer

White Water, 2016, Polypropylene, 440 x 280 cm, © Elizabeth Thallauer

Kunstnürnberg: Wie sieht das dann konkret in der Ausstellung aus?

Elizabeth Thallauer: Ich habe eine große installative Skulptur geplant, die die große Explosion, den Urknall, repräsentieren soll und gleichzeitig die Trennung von Leere und dem Licht zeigen soll.

Denn am ersten Tag wird von Gott das Licht geschaffen, sonst nichts. Ich habe auch geplant verschiedene Zeichnungen und kleine Objekte zu zeigen, die jeweils eigene Erklärungen haben.

Digital Doodles, 2016, Kugelschreiber auf Papier, geplättet, © Elizabeth Thallauer

Digital Doodles, 2016, Kugelschreiber auf Papier, geplättet, © Elizabeth Thallauer

Analog Doodles, 2014 , Fineliner auf Papier, 20 x 2000 cm, © Elizabeth Thallauer

Analog Doodles, 2014 , Fineliner auf Papier, 20 x 2000 cm, © Elizabeth Thallauer

Analog Doodles, 2014 , Fineliner auf Papier, 20 x 2000 cm, © Elizabeth Thallauer

Analog Doodles, 2014 , Fineliner auf Papier, 20 x 2000 cm, © Elizabeth Thallauer

Zum Beispiel eine Repräsentation der Genesis in sieben Tagen, die man „The Seed of Life“ nennt und die aus sieben übereinander gelegten Kreisen besteht. Der erste Tag ist ein Kreis, der zweite Tag ist der nächste Kreis, der den ersten Kreis wiederum überschneidet und so weiter.

Auch der griechische Mathematiker Euklid (3. Jh. v. Chr.) hat mit Hilfe dieser geometrischen Kreisüberschneidungen sein fünftes Postulat zur Bildung eines Dreiecks formuliert. Am Ende entsteht ein Mandala aus den sieben sich überschneidenden Kreisen. Und ich will so ein Mandala aus Lupen bauen. Es entsteht ein sehr interessanter optischer Effekt, wenn man Lupen übereinander legt. Eine ganz spezielle Verzerrung, wie bei einem Fischaugenobjektiv. Ich möchte das einfach ausprobieren und als meditatives Objekt ausstellen.

Außerdem begegnet diese Form in vielen Religionen, beispielsweise in Indien oder in der gotischen Architektur. Formal erinnert mich die Form an gotische Fensterrosen, die in Kirchen auch als meditativer Konzentrationspunkt funktionieren. Momentan habe ich ca. 120 Lupen und experimentiere mit ihnen bis etwas Sinnvolles dabei herauskommt.

Triptich, 2015, PVC, Acryl, 100 x 60 cm, Elizabeth Thallauer

Triptich, 2015, PVC, Acryl, 100 x 60 cm, Elizabeth Thallauer

Des Weiteren habe ich eine große Sammlung an Zeichnung, die mit verschiedenen Mineralien durchkristallisiert sind. Ich möchte mit reiner Geometrie und reinen amorphen Formen spielen, so dass eine gute Verbindung zwischen sehr klaren Formen, klaren Kanten und der Unruhe des Chaotischen entsteht. Hierzu programmiere ich auch ein Video.

Morph IV, 2015, Polypropylene, Aluminium, 150 x 40 x 40 cm, © Elizabeth Thallauer

Morph IV, 2015, Polypropylene, Aluminium, 150 x 40 x 40 cm, © Elizabeth Thallauer

Kunstnürnberg: Dieses Thema war auch Inhalt der „Floating Volumes“ Ausstellung in der Badstraße. Worin besteht der Unterschied zu dem was du in Zirndorf zeigst?

Elizabeth Thallauer: In Fürth wollte ich ein digitales Bild in eine analoge Form übertragen, so dass verschiedene dreidimensionale Felder entstehen, in denen die geometrischen und amorphen Elemente Platz finden.

Ich habe hier auch mit den Eigenschaften der Räumlichkeiten des Kulturorts Badstraße gespielt. Das Gebäude besteht aus Holzbalken zwischen denen jeweils eine schwarze Linie erscheint. Meine Installation war so aufgestellt, dass die schwarzen Bereiche zwischen dem Holz durch die Installation ergänzt wurden. Denkt man sich die Installation als geometrischen Raum würde eine Verlängerung der einzelnen Linien der Installation aus dem Gebäude heraus bis in die Unendlichkeit gehen.

Für mich war wichtig, wie diese Strukturen aufgebaut sind. Hier habe ich wieder Gott gespielt. In diesem Fall habe ich die platonischen solids als Grundformen für die amorphen Körper benutzt. Die platonischen solids wurden als die Bausteine des Universums wahrgenommen. Alles ist eine Kombination aus diesen Formen der Athener Schule. Ich habe die Formen aufgebaut und dann durch Hitze und freie Modellierung deformiert und deformiert und zusammengebunden und weiter bearbeitet bis es eine organische Form ergab, mit der ich zufrieden war.

Da habe ich auch ein bisschen mit Assoziationen gespielt. Ich wollte, dass die Formen tatsächlich so amorph sind, dass sie ein freies Feld für Interpretationen bieten. Dass jeder diese Formen anschauen kann und dann für sich selber Figuren baut. Es soll die Vorstellungskraft der Betrachter provozieren. Ob es nun Wolken sind oder etwas anderes oder gar nichts bleibt der Vorstellungskraft überlassen.

o.T.(Generative Plastic I) 2014, Polypropylene, 80 x 80 cm, Ausstellungsansicht, © Elizabeth Thallauer

o.T.(Generative Plastic I) 2014, Polypropylene, 80 x 80 cm, Ausstellungsansicht, © Elizabeth Thallauer

o.T.(Generative Plastic I) 2014, Polypropylene, Detail, © Elizabeth Thallauer

o.T.(Generative Plastic I) 2014, Polypropylene, Detail, © Elizabeth Thallauer

Kunstnürnberg: Worum geht es dir in deiner Kunst?

Elizabeth Thallauer: Recherchieren und Experimentieren. Ich recherchiere die ganze Zeit und aufgrund der Informationen entstehen bei mir Gedanken, die ich dann verwirklichen will. Ich gehe vor wie ein Wissenschaftler, der erst Informationen sammelt und diese Informationen im Anschluss interpretiert.

Kunstnürnberg: Wie hat sich dein Kunstschaffen in den letzten Jahren entwickelt?

Elizabeth Thallauer: Ich denke, ich habe angefangen bewusster zu arbeiten. Ich bin frecher geworden und erlaube mir mehr Freiheiten. Ich erlaube mir Fehler zu machen. Früher war ich sehr vorsichtig und habe viel gedacht und sehr viel analysiert bevor ich etwas ausgestellt oder vorgestellt habe. Jetzt bin ich viel selbstbewusster geworden in meiner Arbeit.

o.T.(Crystallogenesis III), 2016 , Serie von 28 Objekte, Mischtechnik, je 8 x 8cm, © Elizabeth Thallauer

o.T.(Crystallogenesis III), 2016 , Serie von 28 Objekte, Mischtechnik, je 8 x 8cm, © Elizabeth Thallauer

Kunstnürnberg: Was hast du im nächster Zeit geplant?

Elizabeth Thallauer: Ich habe eine Ausstellung in der Galerie 76 auf AEG nächstes Jahr und eine Ausstellung in Bulgarien. Diese beiden stehen bislang fest. Und meine Arbeit „A tale about a Unicorn and a flying Corn“ ist für den Kalendar „Junge Kunst in Bayern“ 2017 als Novemberbild ausgewählt worden.

o.T. 2016, PET, 111 Objekte, © Elizabeth Thallauer

o.T. 2016, PET, 111 Objekte, © Elizabeth Thallauer

Kunstnürnberg: Hast du einen Ausstellungstipp für die Kunstnürnberg Leser?

Elizabeth Thallauer: Ich empfehle die Ausstellung von Stefan Rohrer im Museum Lothar Fischer in Neumarkt i.d. Oberpfalz, die man noch bis zum 30. Oktober 2016 besuchen kann. Außerdem möchte ich noch auf die Ausstellung „Sofia -Berlin contemporary modus“ im VBK Berlin hinweisen, die nächstes Jahr stattfinden wird.

Kunstnürnberg: Vielen Dank für das interessante Interview.

Elizabeth Thallauer: Ich bedanke mich ebenfalls.

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Genesis – Ordnung im Chaos und Chaos in der Ordnung im Kunstverein Zirndorf

  • Adresse: Galerie Pinderpark, Ladenpassage im Pinderpark 5, 90513
  • Ausstellungsdauer: 30.9. – 4.11.2016
  • Vernissage: Freitag, 30.09.2016, 19 Uhr (Einführung Alexander Racz, M. A.)
  • Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 15-18 Uhr

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