PAST FORWARD – Nürnbergs Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025

N2025 - Past Forward: Nürnbergs Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025
N2025 - Past Forward: Nürnbergs Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025
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Die Bewerbungsphase zur Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025 nähert sich dem Ende. Am 28. Oktober 2020 entscheidet eine zwölfköpfige Jury, welche der fünf Städte Hannover, Chemnitz, Magdeburg, Hildesheim und Nürnberg europäische Kulturhauptstadt wird. Außerdem wird im Jahr 2025 neben einer der Bewerberstädte Deutschlands noch eine Stadt in Slovenien den Titel tragen. 

Genau genommen bewirbt sich nicht nur die Stadt Nürnberg, sondern es bewerben sich 41 Städte und Landkreise in der Metropolregion Nürnberg. Diese umfasst Mittel- und Oberfranken, Teile der Oberpfalz und Unterfrankens sowie den Landkreis Sonneberg in Thüringen. In der Metropolregion Nürnberg wohnen 3,6 Millionen Menschen, die mit ihrer Arbeit die Region zu einer der wirtschaftsstärksten Deutschlands machen. 

Was aus wirtschaftlicher Perspektive bereits gut funktioniert, konnte im Zuge des Bewerbungsprozesses bereits ansatzweise auf den kulturellen Bereich übertragen werden. Ein wichtiger Aspekt der Bewerbung ist die Vernetzung zwischen den Kulturakteuren der Städte und Landkreise der Metropolregion Nürnberg. Durch die gemeinsame Teilnahme und Erarbeitung des Konzepts für die Bewerbung unter Federführung des Leiters des Bewerbungsbüros in Nürnberg, Prof. Dr. Wagner, ist die Metropolregion in kultureller Hinsicht bereits ein Stück weiter zusammengerückt. 

Ab 2018, seit die fünf Millionen Euro teure Bewerbungsphase läuft, konnten bereits einige wichtige Entwicklungen im kulturellen Bereich durchgeführt werden.

Hierbei entstanden neue Ideen und Erfahrungen, die in das Bewerbungskonzept einflossen. Dieses umfasst mehr als 60 Projekte, die im Jahr 2025 umgesetzt werden sollen. Hierfür stehen dann 102 Millionen Euro zu Verfügung. Etwa die Hälfte davon wird für die Umsetzung des künstlerischen Programms verwendet. Die andere Hälfte wird für Marketing und Kommunikation, Löhne und Gehälter sowie Mieten eingesetzt.

Europa blickt auf seine Kulturhauptstadt

Der Titel der Kulturhauptstadt Europas wird seit 1985 jeweils für ein Jahr an eine Stadt bzw. Region verliehen. Seit 2001 erhalten in der Regel zwei europäische Städte den Titel.

Europa richtet seinen kulturellen Blickwinkel auf den jeweiligen Standort und stellt mit dem jährlichen Wechsel der Kulturhauptstadt die Vielfalt des kulturellen Erbes Europas heraus. Die Kulturhauptstädte erhalten einen finanziellen Zuschuss, mit dem sie kulturelle Veranstaltungen und Projekte umsetzen können. Das touristische Interesse am Besuch der Kulturhauptstädte ist hoch und trägt zu einem wirtschaftlichen Aufschwung bei. 

Am Beispiel von RUHR.2010 (Kulturhauptstadt Essen und Ruhrgebiet) kann man sehen, dass dieser positive Effekt auch noch zehn Jahre später deutlich spürbar ist. Das Ruhrgebiet verzeichnet seit 2010 einen spürbaren Imagewandel, steigende Besucherzahlen und einen kulturellen Aufschwung.

Für die diesjährigen Kulturhauptstädte Galway in Irland und Rijeka in Kroatien war das Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie hingegen ein Desaster. 

Die Bewerbung Nürnbergs – Ideen sammeln und kulturelle Projekte realisieren

Im Dezember 2016 beschloss der Stadtrat nach eingehenden Vorarbeiten zur Machbarkeit eine Bewerbung Nürnbergs zur Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025. In der Bewerbungsphase von 2018 bis 2020 verfasste das Team um Bewerbungsleiter Prof. Dr. Wagner zwei sogenannte Bid Books, die das Konzept mit den Motto „Past Forward“ für das Jahr 2025 zusammenfassen.

Das erste Bid Book wurde bereits 2019 eingereicht und verhalf der Stadt zum Einzug in die Endrunde des Auswahlverfahrens. Im Jahr 2020 konnte noch nachjustiert werden, so dass die Ergebnisse und das finale Konzept im zweiten Bid Book am 21. September 2020 an die Jury übergeben werden konnten. 

OPEN CALLS

Das Kulturhauptstadt-Konzept wurde mit Informationen gespeist, die während der Umsetzung diverser Projekte in der Bewerbungsphase gewonnen wurden.

Es wurden beispielsweise zwei Open Calls im Jahr 2018 und 2019 durchgeführt, für die kulturelle Projekte eingereicht werden konnten. Die Projekt erhielten jeweils 5000 Euro für die Umsetzung. Die 21 Gewinnerprojekte wurden per Voting von den Bürgerinnen und Bürgern sowie einer Jury ausgewählt und im Laufe der Bewerbungsphase umgesetzt. 

gamenON2025

Das Projekt gameON2025 richtete sich an Schülerinnen und Schüler in der Metropolregion Nürnberg. In Workshops wurden digitale Spiele entwickelt und umgesetzt, die per App in den verschiedenen Städten der Metropolregion Nürnberg gespielt werden können.

Die hiesige Umgebung wird dabei zur Kulisse des Games. Die jungen Spieleentwickler lernten Grundlagen des Game Designs und der Spieleentwicklung kennen. Da die Spiele in der Region gespielt werden und auf lokale Gegebenheiten ausgerichtet sind, setzen sich die Spieler außerdem mit der Geschichte und Kultur der Metropolregion auseinander. 

SONGLINES

Das Projekt SONGLINES umfasst ein Festivalformat und begleitende Musikprojekte, die die musikalische Vielfalt Nürnbergs in den Fokus rücken. Der Name SONGLINES bezieht sich auf die Songlines der australischen Aborigines, bei denen es sich um ein gesungenes Navigationssystem handelt. Die australischen Ureinwohner verarbeiteten Sternenkonstellationen, Landschaftsbeschreibungen und Heilige Stätten in gesungenen Wegbeschreibungen, die von einer Generation zur Nächsten weitergegeben wurden und gut zu merken waren. 

„Das Projekt SONGLINES beschreitet die Wege von Lieder und deren Erzählungen und entwickelt gemeinsam mit Musiker*innen und Künstler*innen aus Nürnberg, der Region und Europa eine interaktive und partizipative Kartografie des Liedes.

Songs prägen Kulturen, stiften Identitäten und schließen Menschen zusammen. Vor allem zeichnen sie Landkarten, die unsere äußere und innere Welt beschreiben. SONGLINES möchte diesen Landkarten auf die Schliche kommen: Letztlich um mehr darüber herauszufinden, was uns alle berührt, nahegeht und bestenfalls verbindet.“

N2025

In der Hochphase des Lockdowns unterstützte das Team von N2025 die von den Corona-Maßnahmen besonders hart getroffene kulturelle Szene mit dem Format Stream Forward.

Online-Übertragungen von Diskussionsrunden und Konzerten, die auch auf dem eigens eingerichteten YouTube-Chanel angeschaut werden können, boten die Möglichkeit zumindest online aufzutreten.

Das Bewerbungsbüro setzte außerdem noch eine Vielzahl an Ausstellungen, Workshops, weiteren Projekten, Gesprächsrunden und Informationsveranstaltungen in Kooperation mit den regionalen Partnern um.

PAST FORWARD – Was wird 2025 geboten?

Die Stadt Nürnberg hat in ihrem Bid Book ausführlich dargelegt, welche Projekte sie als Kulturhauptstadt Europas bis zum Jahr 2025 und natürlich im Jahr des Titels selbst umsetzen möchte. 

Wie eingangs erwähnt, läuft Nürnbergs Bewerbung unter dem Motto Past Forward. Bereits dieser Titel verrät, dass es um die Auseinandersetzung mit Nürnbergs Geschichte und die Entwicklung unserer Gesellschaft in der Zukunft geht.

Die über 60 Projekte sind den drei Themenbereichen „Humanity“, „Activity“ und „Community“ zugeordnet. 

  • Humanity – Menschlichkeit als Leitziel in einem superdiversen Europa
  • Activity – Arbeit, Lernen und Spielen, um die Welt zu gestalten
  • Community – das Miteinander in einer europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts

Unter diesen drei Themen gliedern sich die Plattformen, denen wiederum die einzelnen Projekte zugeordnet sind. 

Humanity

Der Themenschwerpunkt „Humanity“ setzt sich zu einem großen Teil mit dem Umgang mit der NS-Zeit auseinander. So verbindet das Projekt Memory Lab die Erinnerungsorte des Dokumentationsszentrums Nürnberg und die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Flossenbürg. Ziel ist das

„reflektierte Hinterfragen von und Suchen nach neuen Formen der Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und den Verbrechen des Nationalsozialismus. Es gilt auszuloten, welches haptische, symbolische und gegenwartspolitische Potential an beiden Orten kontrastierend und pointierend konkret wird.“

Bid Book II, deutsche Zusammenfassung

Es werden zudem Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die sich mit den Opfer- und Täterorten auseinandersetzen.

Ein weiteres Projekt untersucht in Kooperation mit der FAU Erlangen-Nürnberg die Rolle Leni Riefenstahl als Propagandistin des NS-Regimes und wird das Fortbestehen faschistischer Ästhetik in Bild- und Medienwelten analysieren.

Für ein anderes spannendes Projekt hat die Stadt den Künstler Jonathan Meese eingeladen, sich künstlerisch mit der Zeppelintribüne und dem Zeppelinfeld auseinanderzusetzen.

Die Ausstellungs- und Performancereihe „A different view. Positionen des globalen Südens“, die von Shreela Gosh kuratiert wird, wird ein Gegenpol zu Riefenstahls faschistischer und kolonialistischer Perspektive auf das „Exotische“ und „Andere“ sein. Mit dabei sind u.a. die Fotografinnen Zanele Muhoni aus Südafrika oder Azadeh Akhlaghi aus dem Iran. 

Activity

Der Themenschwerpunkt „Activity“ greift Nürnbergs Tradition als Spielzeugstadt auf. Im Projekt Toys of Tomorrow entwickeln Designer und Designerinnen das Spielzeug der Zukunft.

Außerdem werden viele ausgewählte Orte wie Museen, öffentliche Plätze, Theaterbühnen oder Fußballplätze im Jahr 2025 zu „Archipelen des Spiels“:

“Es werden spielbare Installationen, Expeditionen, Workshops und Events von und mit regionalen und internationalen Akteur*innen sowie Residencies von Expert*innen, Künstler*innen und Spieleentwickler*innen installiert, die von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den internationalen Gästen bespielt werden sollen.”

Bid Book II, deutsche Zusammenfassung
Martin Behaim (1459-1507), Bemalung: Georg Glockendon d.Ä. (gest. 1514), Datierung: 1492/94 und spätere Ergänzungen, Gestell 1510 um den Horizontring ergänzt Ort: Nürnberg Material/Technik: Geleimte Stoffe, Pergament, Papier bemalt; Eisen geschmiedet, bemalt; Messing gegossen, punziert, graviert Maße: H. 133 cm; D. 51 cm  Ausstellungsort: Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg
Martin Behaim (1459-1507), Bemalung: Georg Glockendon d.Ä. (gest. 1514), Datierung: 1492/94 und spätere Ergänzungen, Maße: H. 133 cm; D. 51 cm, Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg, Quelle: Wikipedia

Das Projekt Behaim’s Globe erforscht den ältesten erhaltenen Globus, der im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt wird und schafft in Kooperation mit Open Street Maps ein neues Abbild der heutigen digitalen Welt.

Community

Der Themenschwerpunkt „Community“ umfasst unter anderem die Projekte Local Lab Europe und COMEFORWARD.

Das Local Lab Europe versucht in vier europäischen Begegnungs- und Dialogformaten mit Europäern und Europäerinnen aus verschiedensten Lebensumfeldern in Nürnberg „Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen wie den Verlust von Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn und die Zerrüttung und politische Spaltung der Gesellschaft (zu) finden.“

COMEFORWARD widmet sich den Nürnberger Kulturläden, die in Zukunft mit Hilfe von kreativen Diskursformaten „Bedarfe, Wünsche und Interessen der Nachbarschaft vor Ort” verhandeln sollen. Das Pilotprojekt erarbeitet damit nicht nur Perspektiven für die zukünftige Stadtteilkulturarbeit, sondern dient auch der Exploration von Potenzialen und Grenzen partizipativer Formate.“

Die restlichen Projekte der drei Schwerpunkte Humanity, Activity und Community können im Bid Book nachgelesen werden. Hier geht es zur englischen Version und der gekürzten Zusammenfassung in deutscher Sprache.

Welche deutsche Stadt im Jahr 2025 schließlich Kulturhauptstadt Europas wird, weiß nur die Jury. Die Auswahl wird schwer fallen, da auch die anderen Städte, vor allem Chemnitz und Hannover, ebenfalls spannende Konzepte vorgelegt haben.

Falls es am Ende für Nürnberg doch nicht reicht, bleibt zumindest der frische Drive, den die Stadt in den letzten zwei Jahren erhalten hat. Die Menschen haben spüren können, wie wichtig Kultur für eine gesunde (Stadt-) Gesellschaft ist. Außerdem hat ein Umdenken in der Verwaltung stattgefunden. So wird nun die Umstrukturierung der Kongresshalle am Dutzendteich in Angriff genommen. Sie dient noch als riesiger Lagerraum, der jedoch zu einem kulturellen Zentrum mit Ateliers umgebaut werden soll. Des Weiteren soll die Alte Feuerwache 1 zum Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft umgenutzt werden und eine Neukonzeption des Museums Industriekultur erfolgen.

Und jetzt heißt es Daumen drücken!

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Text: Alexander Racz

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