Über die Arbeit der Choreographin, Tänzerin und Performerin Eva Borrmann / PLAN MEE
Eva Borrmann realisiert mit PLAN MEE, das sie 2011 gemeinsam mit Evelyn Hornberg und Marcel Behn als freies Tanzkollektiv gründete, eigenwillige Arbeiten an der Schnittstelle zu Tanz, Theater und Theorie.
PLAN MEE

„Es war 2011, dass Evelyn Hornberg – Emma – und ich uns fragten, was wir nach der Ausbildung machen. Und dann dachten wir, wir machen etwas selbst, probieren etwas aus. Damals noch zu dritt, gemeinsam mit Marcel Behn, der inzwischen in Bern im Bereich der Tanzwissenschaft promoviert, gründeten wir PLAN MEE.“, erzählt Borrmann und fügt hinzu, dass „MEE“ für die Initialen ihrer drei Vornamen steht.
Inzwischen führt Eva Borrmann die ursprünglich kollektivistische Idee quasi alleine fort, arbeitet mit verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern, auch weiterhin mit Evelyn Hornberg, zusammen. „PLAN MEE war eben etwas, worin ich mich gesehen habe – und auch heute noch sehe – mehr als im Bereich des reinen Tanzes.“, sagt sie. Als Partner ist die Tafelhalle Nürnberg unter der Leitung von Michael Bader bis heute Koproduzent aller Produktionen.
Borrmann, in Würzburg geboren, ließ sich im klassischen und zeitgenössischen Tanz ausbilden, bevor sie am Staatstheater Nürnberg u.a. mit Johann Kresnik, Joshua Monten, Laura Scozzi sowie mit freien Tanz- und Theaterschaffenden in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, Linz, Köln und Paris zusammenarbeitete.
Zur Zeit studiert sie neben ihrer Arbeit mit PLAN MEE am Institut für Theaterwissenschaft in Bern den MAS “Dance / Performing Arts” – ein berufsbegleitendes Masterprogramm, in dem Zusammenhänge zwischen Tanz, Theater und Performativität in interdisziplinärer und internationaler Perspektive untersucht werden.
DER KÖRPER ALS MATERIAL

Ihre klugen, oft rätselhaft anmutenden Arbeiten, die gesellschaftliche Zustände performativ ergründen, oszillieren zwischen Bewegung und scheinbarem Stillstand. Dabei ist nicht Narration sondern sind Atmosphäre und das jeweilige Thema identitätsstiftende Elemente.
Häufig geht es um Entschleunigung, um Leerstellen, die während des Erlebens einer Performance, Irritation und vielleicht auch Orientierungslosigkeit (körperlich) spürbar machen.
Borrmann versteht in ihrer forschenden Herangehensweise den Körper als Material, unternimmt immer wieder den Versuch, zu zeigen, dass uns Phänomene wie Druck, physische und psychische Gewalt oder Extremzustände körperlich verformen, wir nicht rein intellektuell sondern genauso körperlich durch politische, kulturelle und soziale Systeme geprägt sind.
In ihrem Manifest, in dem sie die künstlerische und inhaltliche Ausrichtung von PLAN MEE unter die vier Kategorien Die Liebe zur Gewalt/ Die Liebe zum Bewegten/ Die Liebe zur Zeit/ Die Liebe zum Theater zusammenfasst, schreibt Borrmann:
„Wir suchen nach Mechanismen und Phänomenen in Gesellschaft und Kultur, welche den Körper bewusst und unbewusst verformen und in festgelegte Handlungsmuster zwängen. Die Analyse der äußeren Umstände beeinflusst hier innere Bewegungsansätze und Anordnungen der Darsteller. Jene Handlungsmuster versuchen wir zu paraphrasieren und zu abstrahieren und setzen unser erarbeitetes Bewegungsmaterial in einen hyperrealen Zeit-, Licht- und Raum-Rhythmus/Kontext.“

Diese außergewöhnliche künstlerische Herangehensweise ist kraftvoll, unkonventionell und neuartig. Zugleich bringt sie eine Perspektive auf das Medium Theater hervor, die einen erweiterten Begriff von Körper und Körperlichkeit einfordert.
„Ich möchte vermeiden, im klassischen Sinne zu choreografieren, d.h. Bewegungen aneinander zu reihen. Vielmehr geht es mir darum, davon auszugehen, wie der menschliche Körper sich in gewissen Situationen bewegt.
Es ist so ein Sammelsurium an Dingen, die ich versuche, aufzublasen und wieder zu minimieren. Und ich glaube, ich suche immer nach der simpelsten und zugleich prägnantesten Bewegung.”
In Bewegungssequenzen genau wie in der Dramaturgie ihrer Stücke ist die sog, „Suspense“, also Ungewissheit, wie Borrmann beschreibt, das zentrale Mittel, um Spannung aufzubauen und um eine Art Gegenmodell zur heutigen permanenten Reizüberflutung, der wir ausgesetzt sind, zu entwerfen.
Wir als Publikum sind eingeladen diesen Prozessen zu folgen, genauso schnell allerdings sind wir wieder auf uns alleine gestellt, müssen ständig Position beziehen, denn leicht konsumierbare Geschichten lässt Borrmann erst gar nicht entstehen.
„Eine Herausforderung an die eigene Vernunft soll beim Betrachter gestiftet werden.“, so schreibt sie in ihrem Manifest.
THEATER DER SPIELERISCHEN VERABREDUNG
Für ihr eigenes Theater wünscht Borrmann sich, dass es spielerische Verabredungen eingeht, dass Dinge und Gefühle erfahrbar werden, die im normalen Leben oft unzugänglich bleiben.
“Ich finde es schön, wenn die Zuschauer ins Schwitzen kommen, körperlich und nicht nur mit dem Kopf von dem, was sie erleben, erfasst sind – das ist, was Tanz bieten kann, anders als Sprechtheater.”
Auch das Spiel mit Klischees und der Umgang mit popkulturellen Symbolen ist Borrmann ein Anliegen, oft führt sie diese in ihren Stücken ad Absurdum.

In Shell Shocker (2016), was ursprünglich für „Kriegszittern“ steht, lässt sie eine Mickymaus auftreten, die dem Publikum als eher düstere, rätselhaft unergründbare Figur begegnet und zugleich im Hinblick auf unser kollektives Gedächtnis als süße Comicfigur lesbar bleibt.
Dass die Mickymaus-Figur wiederum historisch mit faschistischer Kriegspropaganda in Verbindung steht, wird für das Publikum nicht sichtbar, hat aber zur Entscheidung geführt, sie in Shell Shoker auftreten zu lassen.
Das Untersuchen solcher Widersprüchlichkeiten empfindet Borrmann als reizvoll, ohne dabei Klischees unbedingt unterlaufen zu wollen.
ZEREMONIE ALS MÖGLICHKEITSRAUM
Auch die neueste Arbeit von PLAN MEE “A contemporary ceremony – eat the floor!”
die in Kooperation mit der Tafelhalle Nürnberg produziert wird und dort am 1. Februar 2018 Premiere feiert, widmet sich einem global-kulturellen Phänomen.
Borrmann untersucht darin, wie Zeremonien bzw. Formen des Rituals zu Möglichkeitsräumen fernab von Alltag werden können und zu körperlichen Grenzerfahrungen einladen.
„Ich glaube, dass Zeremonien auch gute Ventile sein können, um die Energien, die durch gesellschaftlichen Druck und Gewalt entstehen, loslassen zu können.“
POSITIONEN

Borrmanns Arbeitsweise ist eine durch und durch politische, die gesellschaftlichen und kulturellen Begebenheiten ungewöhnlich und kritisch nachspürt.
Es geht um das Erlebbarmachen von Widerständen und Widerständigkeit, um das Zurückgewinnen von individueller und kollektiver Körperlichkeit, um neue Körperkraft und um ein ständiges Be- und Hinterfragen von festgefahrenen (Macht-) Strukturen.
„Meine Arbeiten müssen gesellschaftlich verankert sein. Sie geben mir die Möglichkeit, mich immer wieder neu zu positionieren, meinen Standpunkt auszubessern, zu verändern oder neu zu beleuchten.“
Nächste Produktion
A contemporary ceremony – eat the floor!
Premiere, 1. Februar 2018, Tafelhalle Nürnberg
Weitere Vorstellungen:
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