Europäische Erstaufführung von Black Box 149 am Staatstheater Nürnberg

Premiere am 18.3.2017, Staatstheater Nürnberg.

Heimo Essl und Sohel Altan Gol, Foto: Marion Bührle
Heimo Essl und Sohel Altan Gol, Foto: Marion Bührle

Am 18.3.2017 feiert das australische Gegenwartsstück Black Box 149 am Staatstheater Nürnberg Premiere.

Im Zentrum steht der Pilot der British Airways Maschine BA 149, die am 2. August 1990 durch das Einmarschieren irakischer Truppen in Kuwait gleich mit besetzt wurde. Alle Insassen wurden als Geiseln genommen.

Die australische Autorin Rosemary Johns lenkt den Fokus auf die nur Schritt für Schritt abrufbaren Erinnerungsmomente des traumatisierten Piloten.

Ich traf Dramaturgin Friederike Engel und Regisseur Christian Papke, der am Staatstheater Nürnberg auch den Dramenwettbewerb und das gleichnamige Festival Talking about Borders verantwortet, zum Vorabinterview.

Heimo Essl und Sohel Altan Gol, Foto: Marion Bührle
Heimo Essl und Sohel Altan Gol, Foto: Marion Bührle

Die Dramaturgin Friederike Engel und der Regisseur Christian Papke über das Stück Black Box 149

Kunstnürnberg: Friederike, Christian, ihr erarbeitet gerade die europäische Erstaufführung von Black Box 149, das 2011 am La Mama Theatre in Melbourne uraufgeführt wurde. Wie kam es zur Auswahl des Stoffes bzw. was daran hat euch interessiert?

Friederike Engel: Es war tatsächlich ein deutscher Kontakt, durch den das Stück nach Deutschland gelangte. Wolf Heidecker, künstlerischer Berater der Autorin Rosemary Johns, der Black Box 149 am La Mama Theatre in Melbourne mit begleitete, kennt Klaus Kusenberg, unseren Schauspieldirektor, von vor Urzeiten.

Die beiden traten dann wieder einmal in Kontakt und Wolf schlug vor, das Stück nach Deutschland zu holen, da er sich eine größere Öffentlichkeit dafür wünschte.

Wir fanden den Stoff interessant und zur gleichen Zeit wurde das Stück auch ins Deutsche übersetzt. Beweggründe es nach Nürnberg zu holen, waren u.a. die Stückanlage als eine Art modernes Geschichtsdrama und natürlich das politische Ereignis, das darin verhandelt wird, denn das hat wahnsinnig viel mit heute zu tun.

Heimo Essl, Foto: Marion Bührle
Heimo Essl, Foto: Marion Bührle

Rosemary Johns und Wolf Heidecker freuten sich sehr, als klar war, dass einmal etwas von ihrem Kontinent, der so weit weg ist von allem hier in Europa, tatsächlich rüber kommt und in Deutschland produziert wird.

Christian Papke: Das ist überhaupt etwas Spannendes, denn welche australische Dramatik kennt man sonst so? Es schwappt tatsächlich relativ selten etwas über den großen Teich ins alte Europa. Und das ist sicherlich auch einer der Reize, dass wir da wirklich mal mit australischer, zeitgenössischer Dramaturgie zu tun haben.

Ich bin gefragt worden, ob ich das Stück – auch als Brückenschlag zwischen den Kulturen – nicht machen möchte. Und nachdem mich alles Interkulturelle sehr interessiert, sagte ich zu. Zudem interessierte mich an dem Kriegs-Stoff die metaphorische Möglichkeit, auf die heutige Situation der Migranten hinzuweisen.

Die Parallele aufzuzeigen, dass ein Vater immer ein Vater ist, er um die Zukunft seines Kindes bangt. Angst fühlt sich auf jeder Sprache gleich an. Wir müssen die Menschen, die zu uns kommen, als Menschen ansehen, nicht als Syrer oder Afghanen. Eine solche Zuordnung reduziert den Menschen bereits. Gleichsam ist die Angst vor dem Unbekannten genauso ernst zu nehmen.

   Heimo Essl in “Black Box 149”, europäische Erstaufführung.

Kunstnürnberg: Seit August 1990, dem Jahr, in dem der geschichtliche Stoff verankert ist, sind mehrere Jahrzehnte vergangen und verschiedenste politische Entwicklungen passiert. Welche Bedeutung hat das tatsächliche historische Ereignis für euch bzw. wie geht ihr in eurer Inszenierung damit um?

CP: Für mich ist das historische Moment nicht unbedingt das Wichtigste, sondern es sind die Bezüge ins Heute hinein, die das Stück so spannend machen. Wir arbeiten uns weniger am 2. August 1990 und der Invasion des Irak nach Kuwait ab, sondern setzten uns vielmehr damit auseinander, was uns das heute erzählen kann:

In dieser Rückbezüglichkeit thematisiert das die Problematik von Migration, die wir jetzt auch gerade im deutschsprachigen Raum erleben. Das Stück und die Inszenierung hinterfragen auch den Begriff der Wahrheit, wie Geschichte immer auch von den Siegern umgeschrieben wird.

Es geht aber auch um die individuelle Grundspannung eines Menschen, dem zu viel Leid und Unrecht geschah. Wie kann so jemand weiter nach Vorne schauen?

FE: Wir wollen zeigen, wie eine Vielzahl an Problemen, die den Nahen Osten so zerrüttet haben, wie wir ihn heute vorfinden, im Zweiten Golfkrieg, als eine Form von Urwurzel, ihren manifesten Anfang genommen haben.

CP: Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass es eben nicht nur darum geht, was im dortigen geographischen und auch geschichtlichen Raum begründet liegt, sondern was eigentlich die westlichen Regierungsapparate, also das transkontinentale Moment, Europa genauso wie Amerika, letzten Endes an Mitschuld und an Mitverantwortung haben. Und es gibt ja durchaus auch einen Terrorismus an den eigenen Leuten seitens des eigenen Systems und auch gerade das wollen wir diskutieren, thematisieren.

Heimo Essl, Foto: Marion Bührle
Heimo Essl, Foto: Marion Bührle

FE: Rosemary Johns bringt zwei Figuren miteinander auf die Bühne die beide Kulturkreise repräsentieren sollen. So macht sie die Begegnung stark, die sie auch teilweise parallelisiert, um zu zeigen, wie beide Seiten Opfer von politischen Interessen wurden.

Kunstnürnberg: In eurer Inszenierung arbeitet ihr, wie im Stück angelegt, mit zwei Schauspielern. Wie würdet ihr die Zusammenarbeit mit Heimo Essl und Sohel Altan Gol beschreiben?

CP: Wir gehen auf Textbasis von zwei Figuren aus, die eine davon ist eben eine Hausbesetzung mit einem tollen Mitglied unseres Ensembles, Heimo Essl, der den britischen Piloten spielt, und der sich bruchstückhaft rückerinnert.

Mit ihm arbeiteten wir sehr intensiv, denn er trägt große Teile des Abends. Und er macht dies als Schauspieler sehr differenziert, er arbeitet sehr bewusst, sehr fein.

Außerdem haben wir einen Gast, Sohel Altan Gol, ein sehr talentierter junger Schauspieler, der in verschiedene Rollen schlüpft und episodisch auftritt.

Er ist deutsch/türkisch/persischer Herkunft und spielt einen Kuwaiter und einen Iraki, verkörpert also die Figuren aus dem fremdländischen Kulturkreis. Sohel hat sich gut eingefügt und bereichert diese Produktion.

Sohel Altan Gol und Heimo Essl, Foto: Marion Bührle
Sohel Altan Gol und Heimo Essl, Foto: Marion Bührle

Heimo und ich stimmten eigentlich schnell darin überein, dass uns der Prozess sehr wichtig ist, also dementsprechend auch das Zwischenmenschliche, denn gerade in einem so kleinen Team und Arbeitsprozess ist es essentiell, dass man gut miteinander kann. Und das hat sich eigentlich bei uns allen dann bewahrheitet. Es war eine sehr harmonische, sehr glückliche Zusammenarbeit.

Kunstnürnberg: Welche Rolle spielt in Johns Stück wie auch in eurer Inszenierung das
Element Spannung?

CP: Wir zeigen eine Rückerinnerung an ein früheres Erlebnis, das traumatisch verlief, und das dementsprechend für den Piloten nur bruchstückhaft abrufbar ist.

Durch seine Erinnerung setzt sich über den Abend hinweg jenes Erlebnis dann sukzessive zusammen. Die poetische Kraft und auch der Spannungsbogen entsteht daraus, dass hier ein Puzzleteilchen zum anderen gefügt werden muss und wir diesen Piloten in seiner schwierigen Erinnerung, beim Zusammensetzen seines eigenen Ich-Puzzels mit all seinen Nöten, Sorgen, Hoffnungen und Träumen verfolgen.

FE: Spannung entsteht aber natürlich schon auch daraus, dass hinter dieser nicht ganz aufgeklärten Geschichte ein großes politisches Problem schlummert und die Bühnenfigur sich vor staatlicher Verfolgung mit einem bestimmten Wissen nicht sicher sein kann.

CP: Gut, dann müsste man darauf hinweisen, dass es keine Fiktion ist, sondern ein Stück Dokumentartheater, das etwas thematisiert, was tatsächlich stattgefunden hat.

Nämlich der Verrat der britischen Regierung von 400 seiner eigenen Bürgerinnen und Bürger, die schlichtweg diesem Trauma und Entsetzen in Kriegsgefangenschaft zu geraten, ausgesetzt wurden, wissentlich, um einfach einige Agenten ins Land zu schleusen.

Wenn man sich das vor Augen hält, kann man sagen, dass daraus der Thrill entsteht oder eben diese Spannung und Anspannung, die tatsächlich stattgefunden hat. Der Verrat am eigenen Volk ist ja einfach ein Unding.

Kunstnürnberg: Danke euch beiden für diesen interessanten Einblick.

Friederike Engel und Christian Papke: Herzlichen Dank.

Vorstellungstermine von Black Box 149 in der Bluebox

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Das Interview führte Julia Opitz.

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