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Margarete Schrüfer im Interview

Frühling im Simulacrum V, 2015, 40 x50 cm © Margarete Schrüfer

Margarete Schrüfer stellt bis zum 1. Mai 2017 unter dem Titel passing by im Galeriehaus Nord in Nürnberg aus.

Im Interview spricht sie über ihre Ausstellung, die Technik hinter ihren Fotografien und die Installation eines Bootes im Origamimeer.

(Besucherinformationen zur Ausstellung finden Sie am Ende des Artikels)

Margarete Schrüfer über Ihre Ausstellung passing by im Galeriehaus Nord

Frühling im Simulacrum IV, 2016, groß, © Margarete Schrüfer

Frühling im Simulacrum IV, 2016, © Margarete Schrüfer

Kunstnürnberg: Das Motiv der Ausstellung passing by sind Kirschblüten. Welche Bedeutung haben die Kirschblüten in Deiner Kunst?

Margarete Schrüfer: Ich war 2005 zur Zeit der Kirschblüte in Japan, wo ich mich vor allem in Tokyo aufhielt. Wenn eine 20 Millionenstadt plötzlich komplett in Rosa bzw. Weiß getaucht ist, dann ist das etwas, was man sein Leben lang nicht mehr vergisst. Das ist einfach zauberhaft und bleibt einem in Erinnerung.

Die Kirschblüte in Japan hat auch eine symbolische Bedeutung. Sie steht zum einen für Vergänglichkeit und zum anderen für Schönheit. Und in meiner Arbeit komme ich immer wieder auf das Thema zurück.

Kunstnürnberg: Die Ausstellung passing by markiert das Ende Deines Atelierstipendiums im Galeriehaus Nord. Was zeigst Du in der Ausstellung?

Margarete Schrüfer: In meiner Abschlussausstellung wollte ich speziell für den Galerieraum des Galeriehaus Nords eine Arbeit entwickeln, die mit meinem Abschied von da zu tun hat. Bis jetzt habe ich Objekte aus Origami gefaltet und diese anschließend abfotografieren lassen. Das Endprodukt dieses Arbeitsprozesses sind die Fotografien.

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord 2017

Für die Ausstellung im Galeriehaus Nord habe ich zum ersten Mal eine Arbeit entwickelt, die keine Fotografie ist. Es werden Origamimodelle in Form einer Installation gezeigt. Ein weißes Origamipapierboot, dass durch Origamikirschblüten fährt. Das Boot steht für Aufbruch und die Kirschblüten, durch die das Boot schwimmt, für die Vergänglichkeit. Die Installation steht also, wie der Titel der Ausstelllung passing by schon sagt, für das Weiterziehen bzw. Vorbeiziehen.

Zu der Installation mit dem Boot gehören auch noch Zeichnungen auf großen glänzend schimmernden Papierbahnen. Die Motive sind von Fotografien abgezeichnet. Wenn die Kirschblüten verblüht sind und die Blütenblätter einzeln abfallen, dann landen diese auch in den Kanälen von Tokyo und rotten sich durch die Strömung des Wassers zusammen. Es schwimmen also keine einzelnen Blüten herum, sondern immer Massen in Formationen.

Auf den Papierbahnen zeige ich zwei verschiedene stilisierte Zusammenrottungen von Kirschblütenblättern in Form von gezeichneten Kreisen, die ich von Fotos abgezeichnet habe. Das Motiv war eine Zusammenrottung von Blütenblättern um eine Pfütze. Durch die extreme Vergrößerung als Zeichnung auf große Papierbahnen schaut man, wenn man direkt davor steht, in eine leere Fläche. Die Mitte ist leer, ohne Zeichnung.

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord 2017

In der japanischen Ästhetiklehre Wabi-Sabi ist die höchste Stufe der Vergänglichkeit das Nichts. Dieses Nichts wollte ich zeigen. Die Art der Präsentation mit den Papierbahnen erinnert an japanische Wandbespannungen oder Paravents, auf denen oft sehr reduzierte Abbildungen von Natur zu sehen sind .

Mit diesen Bahnen wollte ich auch einen Gegensatz zur materialteuren Bilderpräsentation schaffen. Die Bahnen sind nicht geschnitten, sondern gerissen, um der Präsentation wiederum das Sterile zu nehmen.

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord

Die Zeichnungen erweitern die Installation des Bootes im Kirschblütenmeer auf die Wand und bringen durch das Glänzen des Materials die Assoziation von Wasser ins Spiel.

Idee für die Installation war meine Erinnerung an den Aufenthalt in Japan. Während der Kirschblüte sieht man dort viele Boote im von Kirschblüten bedeckten Wasser. Die Leute fahren mit den Booten durch die komplett in Rosa getränkten Kanäle, durch eine rosa wabernde Masse. Das ist sehr schön anzusehen. Es werden viele Fotos geschossen, sogar Hochzeiten werden in diesen Booten gefeiert.

Die Kirschblüte dauert ja nur ein paar Tage an, ist jedoch ein fester Bestandteil der Kultur und der Realität in Japan. Wenn die Sonne scheint und die Boote in den Kanälen unterwegs sind, ist das einfach ein schönes Bild.

Wenn ich aber nun dieses reale Bild nehme und in einem komplett anderen Material nachbaue und im Kunstkontext eines Galerieraums zeige, dann verwandelt sich dieses Bild.

Dann bekommt es eine Bedeutung, bzw. es bekommt eine andere Bedeutung. Außerhalb eines Kunstkontextes hat ein Boot nicht die Bedeutung von Aufbruch, sondern ist lediglich ein Fortbewegungsmittel.

Kunstnürnberg: Wie gestaltet sich der Entstehungsprozess Deines Werkes?

Gardening, 2015, 50 x 40 cm © Margarete Schrüfer

Gardening (Vergissmeinnicht), 2015, 50 x 40 cm © Margarete Schrüfer

Margarete Schrüfer: Jedes Origamimodell, egal was du falten willst, beginnt immer mit einem quadratischen Blatt Papier. Dieses quadratische Papier wird vor einem weißen Hintergrund abfotografiert. Als nächsten Schritt falte ich das Blatt z.B. zu einem Dreieck und dieses Dreieck wird ebenfalls abfotografiert. Das fertige Modell besteht aus einer festgelegten Abfolge von unterschiedlichen Faltschritten.

Diesen Prozess führe ich solange durch, bis das Modell fertig gefaltet und jeder Faltschritt einzeln fotografiert ist. Das kann je nach Modell eine unterschiedlich große Anzahl von Faltschritten sein. Zum Schluss schneide ich die Fotos einzeln am Computer im Photoshop aus und lagere diese in vielen Ebenen übereinander, wie bei einer Collage.

Kunstnürnberg: Was passiert mit den gefalteten Blüten, nachdem sie fotografisch festgehalten wurden? Sind nur die Fotografien der Blüten das abgeschlossene Werk oder sind auch die in Origamitechnik geschaffenen Blüten eigenständige Kunstwerke für Dich?

Margarete Schrüfer: Bis jetzt war es so, dass ich nur die Fotografien von den Origamiobjekten als das künstlerische Endprodukt angesehen habe. In Zuge dieser Ausstellung habe ich nun zum ersten Mal eine Arbeit gemacht, wo Origamimodelle als solches im Raum präsent ist.

Kunstnürnberg: Wie unterscheidet sich die Ausstellung passing by von der Ausstellung flower power, die 2012 ebenfalls im Galeriehaus Nord gezeigt wurde?

Margarete Schrüfer: Damals bei flower power habe ich begonnen die Objekte abzufotografieren um sie als Foto an die Wand zu bringen. Ich habe damals Fotos von Origamiblumen in schwarzen Plastikkübeln vor schwarzem Hintergrund gezeigt, wie sie auch in Supermärkten stehen könnten.

Frühling im Simulacrum V, 2015, 40 x50 cm © Margarete Schrüfer

Frühling im Simulacrum V, 2015, 40 x50 cm © Margarete Schrüfer

Damals wie heute ist der hohe zeitliche Aufwand der Herstellung der Blumen ein Mittler für den Inhalt. Ich wollte diesen achtlos im Supermarkt stehenden Blumen dadurch ihren Wert zurückgeben. Auch waren große Tapetenprints von Origamisträußen zu sehen, auf denen Blumen abgebildet waren, die nicht zur gleichen Jahreszeit wachsen und trotzdem als Strauß vereint waren.

Im Vergleich zu flower power haben sich die Fotos weiterentwickelt, indem ich die einzelnen Faltschritte in die Fotos integriert habe. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass alles, was es in der Natur gibt, aus Faltungen besteht:

Von der DNA bis hin zu deinem Gehirn, einfach nur ein Blatt an einem Baum oder ein Grashalm. Durch die Faltung entsteht eine Vergrößerung der Oberfläche, das jeweilige Objekt kommt dadurch mit viel weniger Platz aus. Auch lässt sich alles, was existiert mit Origami falten.

Wissenschaftler versuchen z.B. ihren Studenten mit Hilfe von Origami Schwarze Löcher im Weltall verständlich zu machen. In Amerika wird an einem Satelliten gearbeitet, der ganz klein ins Weltall geschossen werden soll, sich dort aber mit einem Durchmesser von über 35m entfaltet. Das kann nur mit Hilfe von Origamiprinzipien realisiert werden.

Frühling im Simulacrum II, 2016, 60 x 50cm, © Margarete Schrüfer

Frühling im Simulacrum II, 2016, 60 x 50cm, © Margarete Schrüfer

Die Fotografien jetzt im Galeriehaus haben den Titel Frühling in Simulacrum. Der Titel bezieht sich auf genau dieses Prinzip. Simulacrum bedeutet ganz salopp ausgedrückt ein Objekt, das keine Kopie des Originals ist, sondern ein Objekt, das einen hinter die Kulissen blicken lässt, wie z.B. bei einem Tag der offenen Tür.

„Simul“ für „ähnlich“ beschreibt sowohl das Bild als auch das Abbild. Es kann genauso Trugbild wie Traumbild sein. Gleich geblieben sind die Motive, die auf der alten Tradition der Blumenstillleben aus dem 17. Jahrhundert beruhen.

Schon damals handelten diese Blumenstillleben vom Werden und Vergehen, Blumen wurden in verschiedenen Wachstumsstadien oder nicht zur selben Zeit blühend gemalt.

Kunstnürnberg: Hast du einen Ausstellungstipp für die Kunstnürnberg-Leser?

Margarete Schrüfer: Ja, unbedingt! A New Kind of Joy von Jorinde Voigt in der Kunsthalle Nürnberg.

Kunstnürnberg: Vielen Dank für das Interview. 

Margarete Schrüfer: Ich bedanke mich herzlich.

Besucherinformationen

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord

Margarete Schrüfer: Passing by, Ausstellungsansicht Galeriehaus Nord

  • Adresse: Galeriehaus Nord, Wurzelbauerstr. 29, 90409 Nürnberg

  • Ausstellungsdauer: 10. März. – 1. Mai. 2017
  • Öffnungszeiten: Di – Mi: 13 – 16 Uhr; Do – Fr 11 – 13 Uhr und So 11 – 16 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter 0911/ 553387.
  • Sonderöffnung am 1.5.: 15 – 19 Uhr
  • Webseite von Margarete Schrüfer
  • Webseite Galeriehaus Nord

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