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Das Gostner Hoftheater – Gisela Hoffmann im Interview

Gostner Hoftheater, Foto: Alexander Racz, Kunstnürnberg 2017

Gisela Hoffmann, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des Nürnberger Gostner Hoftheaters, erzählt im Interview von der Geburtsstunde des heute ältesten Privattheaters der Stadt, berichtet über die aktuelle Ausrichtung und das licht.blicke Festival, das im Oktober 2017 bereits zum 9. Mal stattfinden wird.

Das Gostner Hoftheater – anspruchsvolles freies Theater seit knapp 40 Jahren

kunstnürnberg: Liebe Gisela, das Gostner Hoftheater wurde im Jahr 1979 gegründet. Wie kannst du die Geburtsstunde beschreiben? Was war eure damalige Intention, ein Theater zu gründen?

Gisela Hoffmann: Das waren vor allem wilde Zeiten. Es waren die Zeiten der Wohn- und Hausgemeinschaften. Außerdem gab es in Nürnberg keine Alternativ- oder Kleinkunstbühne, aber es gab viele kulturaffine junge Leute, die eine Alternative zur etablierten Kultur suchten. So schlossen wir uns (wir waren hauptsächlich in der Bildenden Kunst tätig) eines Tages zusammen und der Kunstverein Hintere Cramergasse wurde gegründet.

Bald begannen wir politische Lesungen zu veranstalten, Musiker einzuladen und dann war der Kabarettist Sigi Zimmerschied das erste Mal zu Gast und wir wurden von Besucherinnen und Besuchern förmlich überrannt.

Nach relativ kurzer Zeit trennten wir uns vom Kunstverein, da wir uns in der reinen Subkulturszene zu eingeengt fühlten und eine etwas seriösere Anlaufstelle für Kabarett, Kleinkunst und Co werden wollten.

Gostner Hoftheater, Foto: Alexander Racz, Kunstnürnberg 2017

Gostner Hoftheater, Foto: Alexander Racz, Kunstnürnberg 2017

Wir, das waren fünf LehrerInnen, eine Kunsthistorikerin, ein Theaterwissenschaftler und einige Studierenden, kauften das Haus, in dem sich bis heute das Gostner Hoftheater befindet, um dort zu arbeiten, zu wohnen, eine Kneipe und eine Kleinkunstbühne zu gründen. Da Gostenhof damals noch das „Glasscherbenviertel“ war, bekamen wir das Haus recht günstig und mussten natürlich jede Menge Zeit und Geld für den Umbau investieren, um aus dem Anwesen ein kleines Kulturzentrum entstehen zu lassen. Glücklicherweise standen uns viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zur Seite, die ebenfalls von der Idee begeistert waren.

Und da es außer den etablierten Bühnen, also dem Stadttheater, kaum alternativen Kulturangebote gab, war unser Start dann relativ einfach, zumindest was den Publikumszuspruch anging.

Wir hatten aber alle noch unsere bürgerlichen Berufe, denn sonst hätten wir das Projekt nicht finanzieren können.
Durch den Kunstverein hatten wir viel Kontakt zur Szene, Erfahrung im Bereich Theater allerdings kaum, dafür ein umso größeres Interesse. Ebenso waren wir absolute Greenhörner im Umgang mit Behörden, denn es mussten natürlich viele Genehmigungen eingeholt werden. Und dann ging es los mit vielen schrägen Veranstaltungen, mit vielen schrillen Künstlerinnen und Künstler sogar aus Übersee.

kunstnürnberg: Wie ging es dann weiter?

Gisela Hoffmann: Die Projekte und Aufführungen, die wir in der ersten Zeit zeigten, hatten alle eher semi-professionellen Charakter, zum Teil waren sie auch provokant und abgefahren – so könnte man einem heutigen Publikum sicher nicht mehr begegnen.

Wir waren idealistisch, wollten bewusst dem Establishment etwas entgegensetzen und auch provozieren. Natürlich wurden wir von außen beeinflusst, in New York gab es eine große Off-Theaterszene, wodurch eine weltoffene Künstlerwelle über den Teich schwappte. Nach einigen Jahren war jedoch leider der Spuk vorbei, was vor allem mit der Kulturpolitik Amerikas zu tun hatte. Die OFF-Theater werden kaum noch gefördert und sind finanziell am Limit.

Ab 1985 war für uns der reine Gastspielbetrieb zur Routine geworden. Wir wollten uns mehr aktiv einklinken und am Puls der Zeit sein. So entstanden die ersten Eigenproduktionen. Die eigene Themen- und Schwerpunktsetzung wurde uns immer wichtiger, das hat sich bis heute fortgesetzt.

Wenn man so zurückdenkt, hängt immer alles von den jeweiligen politischen Verhältnissen ab. Manchmal war der Zwang oder die Not, der Politik etwas entgegenzusetzen weniger groß und manchmal, so wie auch zur Zeit, wenn man die rechtsextremen Tendenzen in Amerika, Ungarn, der Türkei und auch bei uns betrachtet, dann ist es als Theater wichtig, durch gesellschaftskritische Themen zur Diskussion anzuregen.

kunstnürnberg: Ihr verankert in eurem Programm immer wieder Begegnungen zwischen den Künsten. Wie sieht das in der Praxis aus?

Gisela Hoffmann: Wir versuchen, Darstellende und Bildende Kunst mittels Kunstausstellungen zu verschränken.

Im Rahmen von Ferdinand Schmalz’ „Der Herzerlfresser“, unserer aktuellen Produktion, stellte zum Beispiel Josefa Schundau, die an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert, aus. Es ist uns wichtig, zwischen den einzelnen Kunstfeldern Brücken zu bauen. Und genauso ist es mit der Musik, da versuchen wir ebenfalls Verbindungen herzustellen.

kunstnürnberg:: Wer ist an der Programmgestaltung außer dir noch beteiligt?

Gisela Hoffmann: Wir sind ein kleines Team, da gibt es keine Hierarchien, die Wege sind kurz und wir können spontan auf alles reagieren. Beispielweise haben wir vor etwa 10 Jahren FEMOA (Freier Eintritt für Menschen ohne Arbeit) eingeführt, da wir auf die sozialstaatlichen Strukturen, vor allem Harz IV, reagieren wollten. Es braucht dafür bei uns eben keine großen Konferenzen, wir sind hier und können auf direkter Gesprächsebene solche Dinge entscheiden. Mitspracherecht von allen ist uns ganz wichtig, jeder und jede im Team soll Ideen einbringen können.

Wir sind allerdings ein gemeinnütziger Verein mit einem Vorstand, der einen, manchmal kritischen, Blick auf unsere Arbeit wirft.

kunstnürnberg: Habt ihr ein festes Ensemble?

Gisela Hoffmann: Wir haben einen Schauspieler, Thomas Witte, der seit 20 Jahren fest bei uns ist.

Im Rahmen unserer fünf bis sechs Eigenproduktionen im Jahr werden alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler immer mit sog. Stückdauerverträgen für ungefähr 10 Wochen bei uns angestellt. Die Regisseurinnen und Regisseure bekommen meistens Honorarverträge und dann wechselt das Team wieder.

Es war ein Lernprozess für uns, bis wir zu unserem jetzigen Modell gefunden hatten. Heute haben wir einen Pool an Schauspielerinnen und Schauspielern aus ganz Deutschland, die immer wieder gerne zu uns kommen. Und auch die Regisseurinnen und Regisseure kommen regelmäßig wieder. So können wir eben auch verschiedene Regiehandschriften anbieten. Wichtig ist uns in erster Linie Professionalität und Qualität.

kunstnürnberg: Was steckt hinter dem Namen „Young HuGo“?

Gisela Hoffmann: Unter dem Namen „Young HuGo“ wird das Angebot unseres Jugendtheaterbereichs im Hubertussaal und Gostner Hoftheater zusammengefasst. 1998 als wir erfuhren, dass es keine Jugendtheatersparte mehr am Schauspielhaus gab, war für uns klar, dass wir diese Lücke füllen wollten. Seitdem bauten wir kontinuierlich diesen Bereich aus. Nun zeigen wir einmal im Monat Aufführungen speziell für junges Publikum, wie z.B. den Dauerbrenner „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf oder „Wir alle für immer zusammen“ von Guus Kuijer. Darüber hinaus bieten wir Gastspiele und Klassenzimmerstücke.

Als erstes Klassenzimmerstück brachten wir gemeinsam mit Philipp Hochmair „Werther!“ am Dürer Gymnasium heraus. Parallel bekamen wir den Hubertussaal als neue, größere Allround-Spielstätte mit 300 Plätzen dazu, den wir bis heute für Jugendtheater, Kabarett, Konzerte nutzen – also Formate, die einfach mehr Zuschauer und eine größere Bühne beanspruchen.

Youtube Video, Werther! – Philipp Hochmair – Regie: Nicolas Stemann – Trailer

Auf politischer Ebene war es allerdings ein langer Prozess, zu vermitteln, dass mehr finanzielle Unterstützung nötig ist, denn die Einnahmen für Jugendliche, insbesondere Schulklassen halten sich in Grenzen, die Nachfrage nach anspruchsvollem Jugendtheater seitens der Lehrer ist jedoch groß.

kunstnürnberg: Seit 2001 veranstaltet ihr außerdem alle zwei Jahre das internationale Theaterfestival für junges Publikum licht.blicke. Im Oktober 2017 findet es bereits zum 9. Mal statt. Wie entstand die Idee dazu und was zeichnet das Festival aus?

Gisela Hoffmann: Wir gründeten das Festival zusammen mit der freien Theatergruppe „theater zwo sieben“. Seit 2001 findet es alle zwei Jahre statt. Neben Einladungen freier professioneller Gruppen aus dem In- und Ausland haben wir inzwischen einen Tag im Rahmen des Festivals etabliert, der den Theaterjugendclubs gewidmet wird.  Dieses Jahr werden die Jugendclubs des Nürnberger Theaters Püftze, des Theaters Amberg und unser eigener Jugendclub zu Gast sein. Alle sehen an diesem Tag die jeweiligen anderen Vorstellungen und tauschen sich hinterher über das Gesehene aus.

Auch gibt es viele Workshops, mit denen wir die Jugendlichen aktiv einbinden, wie
zum Beispiel in den Bereichen Tanz oder Graffiti. Auch hier möchten wir Brücken bauen und genreübergreifend wirken. Julian Vogel, ein Graffitikünstler, der bei uns schon ausstellte leitet den Graffitiworkshop. Er entwarf im Jahr 2013 eine Installation, die im Rahmen der Blauen Nacht an der Nürnberger Burg gezeigt wurde.


kunstnürnberg: Hattet ihr von Anfang an internationale Gäste bei licht.blicke?

Gisela Hoffmann: Ja, schon immer. Aus Belgien und den Niederlanden z.B. waren von Anfang an Gruppen bei uns zu Gast. Sie sind innovativ und wegweisend gerade im Kinder- und Jugendtheaterbereich.

Aber, das ist kein Muss. Wir laden professionelle Gruppen ein, die Außergewöhnliches im Gepäck haben, außerdem sind uns aktuelle, zeitkritische Themen wichtig. Zu licht.blicke.9 im Oktober 2017 kommen Gruppen aus der Schweiz, aus Israel, Österreich, Dänemark. Zu erleben ist auch viel Tanz im öffentlichen Raum, vor allem aus den Niederlanden.

kunstnürnberg: Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Gisela Hoffmann: Ich sage danke!

Infobox:

  • Spielplan Gostner Hoftheater
  • Nächste Premiere:  „Wir alle für immer zusammen“ von Guus Kuijer, 20:00 Uhr – 30.05.2017 im Hubertussaal.

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