Montag, März 10, 2025

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Oldietown und Parzifal In und um Wolframs-Eschenbach

Text von Marc Peschke

Ein Städtchen in Mittelfranken, unweit von der ehemaligen markgräflichen Residenz Ansbach. Touristische Glanzlichter in nächster Nähe: Rothenburg, Dinkelsbühl, Nürnberg, die fränkische Seenplatte mit Brombachsee und Altmühlsee, das Altmühltal, alles ganz nah, doch wir entscheiden uns für das kleine, leise Idyll: Wolframs-Eschenbach! Etwas mehr als 3000 Einwohner leben hier. Der große Sohn der Stadt war der Minnesänger und „Parzifal“-Dichter Wolfram von Eschenbach. Doch dazu später mehr. Mittelalterliche Wehrmauern, runde Wachtürme mit spitzen Kegeldächern, zwei stattliche Eingangstore, darin die feine Altstadt mit fränkischem Fachwerk und viel Renaissance. Eine kleine Welt, ganz für sich.

Der Deutsche Orden hatte seit dem 13. Jahrhundert bis zu seiner Auflösung im frühen 19. Jahrhundert in Eschenbach das Sagen. Dann kam der Ort zum Königreich Bayern. 1917 wurde die Stadt zu Ehren von Wolfram von Eschenbach in Wolframs-Eschenbach umbenannt. Seit 1972 gehört man zum Landkreis Ansbach.

Die imposante Stadtbefestigung, die Alte Vogtei, das Alte Rathaus, das Deutschordensschloss aus der Renaissance – heute Rathaus –, der Fürstenhof und viele der prächtigen Fachwerkhäuser stammen aus der Zeit des Deutschen Ordens. Auf dem zentralen Hauptplatz steht das Wolfram-Denkmal, gestiftet 1860 von König Maximilian II. von Bayern. Das Liebfrauenmünster, dessen Turm mit seinen bunten Schindeln schon von Weitem fröhlich grüßt, stammt zum Teil noch aus der Romanik und ist eine der frühesten Hallenkirchen in Deutschland. Kunsthistorisch Interessierte sollten sich vor allem den Rosenkranzaltar von 1510 ansehen, das wertvollste Ausstattungsstück der Kirche. Er wurde wohl von einem Schüler des Bildschnitzers Veit Stoß geschaffen.

Deutschordensschloss, Foto: Marc Peschke
Deutschordensschloss, Foto: Marc Peschke
Liebfrauenmünster, Foto: Marc Peschke
Liebfrauenmünster, Foto: Marc Peschke
Foto: Marc Peschke
Foto: Marc Peschke

 

Die kleine Stadt liegt inmitten einer leicht gewellten Hügellandschaft in der Altmühl-Mönchswald-Region, zu der auch die Gemeinden Merkendorf, Mitteleschenbach, Ornbau und Weidenbach gehören. Merkendorf und Ornbau lohnen unbedingt einen Besuch! Auch hier: mittelalterliche Ortskerne hinter dicken Stadtmauern. Gleich steigen wir auf unsere Räder – und wir haben Glück, das Wetter spielt schon jetzt, Anfang März, perfekt mit. Wir radeln eine kleine Acht über wenig befahrene Landsträßchen und Wirtschaftswege, um die beiden Städtchen zu besichtigen: Von Wolframs-Eschenbach über Waizendorf nach Merkendorf, weiter über Heglau und Hirschbach nach Ornbau, zurück über Neuses und Biederbach.

Zwischen Altmühl im Westen und Mönchswald im Osten laden viele Wander- und Radwege ein. Es treffen sich mehrere Radwege, Wanderwege und touristische Straßen wie der Tore-Türme-Schlösser-Radweg, der Karpfen-Radweg, die Altmühl-Mönchswald Radwege, der Burgenstraße-Radweg, die Radl-Lauschtour der Altmühl-Mönchswald-Region, der Fränkische WasserRadweg, der Literaturweg Franken oder die Minnesängerwanderwege – und das sind nicht einmal alle!

Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke
Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke
Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke
Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke

Radeln kann man, wandern kann man. Und: Das Städtchen bietet das ganze Jahr über ein reiches Kulturprogramm. Konzerte im Liebfrauenmünster, Ausstellungen, Theater und ein Open Air Musikfestival auf dem Kirchhof. Wir kommen im romantischen Hotel „Alte Vogtei“ unter, dem ehemaligen Sitz des Stadtvogts. Ein wunderbares, prächtiges Fachwerkhaus mit kleiner Wellness-Landschaft. Es ist im Besitz der Stadt – restauriert vor wenigen Jahren mit viel Sinn für Stil, betrieben wird es mit viel Verve von drei Gesellschafter-Ehepaaren. Weitere schöne Hotels, Ferienwohnungen und auch einen kleinen, aber immer wieder prämierten Wohnmobilplatz, den „Stellplatz Münsterblick“ gibt es, von dem man die Altstadt in nur wenigen Minuten erreichen kann.

Nur wenige Schritte hinter dem Oberen Stadttor liegt rechts die Metzgerei, links die Stadtbäckerei mit schönem Café. Zwei Jahre stand die Bäckerei leer, dann nahm die Stadt die Sache in die Hand öffnete im September 2020 neu. Eine Bäckerei, betrieben von der Stadt? Einmalig in Bayern und wohl auch in ganz Deutschland!

Bemerkenswert auch: 1974 wurde in Wolframs-Eschenbach der Kinderfilm-Klassiker „Der Räuber Hotzenplotz“ gedreht – mit dem furchterregenden, aber herzensguten Räuberhauptmann, gespielt von Gert Fröbe. Ein Ereignis, an das man jährlich im August mit einem Räuber-Hotzenplotz-Fest erinnert.

Foto: Marc Peschke
Foto: Marc Peschke
Foto: Marc Peschke
Foto: Marc Peschke

Und dann gibt es hier noch etwas anderes, ganz Einzigartiges: Alle zwei Jahre wird die historische Altstadt zur Oldietown, wie auch in diesem Sommer. Das 6. „Oldietownfestival“ findet am 12. und 13. Juli 2025 statt: ein ganzes Wochenende blitzende Oldtimer und Livemusik, Petticoats, Pomade, Rock ‘n‘ Roll und Rockabilly. Eine Zeitreise in die Fifties und Sixties! Eine ganze Stadt im Oldiefieber!

Wir treffen Bürgermeister Michael Dörr und Heidi Denzinger von der Kultur- und Tourismusbehörde im Rathaus, die begeistert vom Oldietownfestival und ihrer Stadt erzählen. Die Veranstaltung zieht Menschen aus ganz Deutschland an, doch was Herrn Dörr und Frau Denzinger wichtig ist: Alles wird von den Wolframs-Eschenbachern, vor allem von den Vereinen, selbst gestemmt.

Doch so weit ist es noch nicht. Derzeit ist noch alles ruhig in Wolframs-Eschenbach. Der Dichter Wolfram von Eschenbach, der um 1170 hier geboren wurde und an verschiedenen Höfen wirkte – wie etwa bei den Grafen von Wertheim und dem Landgrafen Hermann I. von Thüringen –, dieser Schöpfer des „Parzival“ gilt als wichtigster Dichter des Mittelalters. 25.000 Verse hat sein Versroman um den Titelhelden. Ein unfassbares, episches, mitunter aber auch humorvolles Werk, das die Entwicklungsgeschichte eines Ritters erzählt, der auf der Suche nach dem Heiligen Gral ist. Wer tiefer einsteigen will in die Historie, dem sei auch die „Lauschtour“ empfohlen, eine Audioguide-App, die es auch für die anderen Orte der Umgebung, für Mitteleschenbach, Ornbau, Weidenbach und Merkendorf gibt.

Foto: Marc Peschke
Foto: Marc Peschke
Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke
Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke

Auch im „Museum Wolfram von Eschenbach“ sowie auf einem Literaturweg rund um die Stadtbefestigung können wir fränkische Autoren und vor allem Wolfram von Eschenbach entdecken – die große Stimme der mittelhochdeutschen Literatur. Das Museum, dem auch eine stadtgeschichtliche Abteilung angeschlossen ist, bietet zudem einen Einblick in die Geschichte des Deutschen Ordens. Die Räume zu Wolfram von Eschenbach und dem „Parzifal“ verstehen sich als expressive, atmosphärische Inszenierung. Das Museum will Fragen entdecken helfen und entführt in eine dunkle und geheimnisvolle Welt. Hoch oben auf dem Dach des Museums thronen Störche in ihrem Nest. Ihr Klappern begleitet uns durch die Tage.

Unseren Gral, unser wundertätiges Gefäß, finden wir an diesem Abend im stilvollen Restaurant der „Alten Vogtei“, wo wir unseren Fränkischen Sauerbraten in Lebkuchensoße von einem süffigen Hürner Hell und einem hinreißenden Rotwein Cuveè vom Weingut Popp aus Iphofen begleiten lassen. Fränkisches und „weltfränkisches“ Essen gibt es hier, in diesem so gastlichen Haus. Ein abendlicher Rundgang durch das romantische Städtchen entlang der Stadtmauer und um den Schießweiher tut sein Übriges. Wir sind selig. Jaja, man hat es schon öfter gehört, aber es stimmt schon: „Wie Gott in Franken“, so fühlen wir uns in Wolframs-Eschenbach.

Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke
Altstadt Wolframs-Eschenbach, Foto: Marc Peschke

Nach dem Rundgang kehren wir noch auf ein weiteres Helles in der „Traube“ ein, in der Hauptstraße 11. Ein altes Gasthaus, mehr als 500 Jahre alt, mutiert hier am Freitagabend zur urigen Kneipe, zum Konzertsaal, zum Treffpunkt für Jung und Alt. Es ist immer nur freitags geöffnet, die Gaudi dementsprechend groß. Das sympathische Betreiber-Paar freut sich ehrlich über neue Gesichter und erklärt das Konzept: Sie machen das nur nebenbei, nur einmal in der Woche. Und deshalb ist es immer schön voll. Sein Essen darf man sich selbst mitbringen. Die Getränkekarte ist überschaubar. Aber es gibt gutes Flaschenbier aus der Region, von den Brauereien Spalt und Brombachseer – und die Stimmung an diesem historischen Ort ist quicklebendig. Nach einer letzten Nacht in der „Alten Vogtei“ – wir schlafen wieder prächtig in dem ehrwürdigen Gemäuer – geht es zurück. Wolframs-Eschenbach, unbekannte Kleinstadtperle in Mittelfranken – wir kommen bestimmt bald wieder.

Highlight: 6. Oldietownfestival am 12. und 13. Juli 2025. Alle Infos: www.oldietown.de

Weitere Links:

www.fraenkisches-seenland.de

www.romantisches-franken.de

www.altmühl-mönchswald.de

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